Der Kunstsoldat und die Institutional Critique
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Man sieht grobkörnige Lichtbilder von Hochhausdächern, Gepäckbändern, Büroräumen, dazu einen Raum mit verbeulten Mülleimern, diverse Videos, die die Künstlerin zeigen, wie sie sich selbst gegen den Kopf schlägt, ein Fahrrad zertrümmert, langsam vom Klo fällt, auf einer U-Bahn-Fahrt einen wilden Tanz aufführt und sich dort entkleidet auf den Boden wirft.
Ein gewisser Geruch von Bedeutung und städtischer Abluft breitet sich in der Galerie aus. Darin erklärt ein abwesender Kunstakademiker den um Anwesenheit bemühten Spießerklamotten, dass aufbegehrende Urbanität hier eine bewusste Site-Specificity nebst Entortung, Neuverortung der Dinge etc. etc. verfolge. In einem Netz von Zusammenhängen und Bezügen. Im Zentrum stehe eine selbstreferenzielle Übertragung kanonisch gewordener Positionen der Kunstgeschichte in urbane Gegenwart.
So selbstreferenziell sei das Ganze nun auch wieder nicht, lästert Kandinsky dazwischen. Die urbanen Kunstlehrer nehmen ihre urbanen Kunstschüler in die metropolitische Staatszange und zerquetschen sie. Über ihr akademisches Sehen kommen die akademischen Rennpferde nicht hinaus. Fressen täglich 50 Kilo Grünzeug vom Stadtparkrasen, aber sehen nur das, was man ihnen vorsetzt. Akademie ist ein misslungenes Verbrechen blinder Folgsamkeit im Stadtverkehr. Herumglotzerei auf der Straße nennt sie authentische Auseinandersetzung. Vor den metropolitischen Erektionen beigaben- und pensionsberechtigter Kunstpharaonen kann man nur warnen.
Mir ist das ziemlich egal, was Kandinsky da quasselt, auch wenn alle denken, ich sei sein uneingeschränkter Bestätiger. Tatsächlich habe ich nicht die geringste Ahnung, worauf er hinaus will. Chaotisch und unberechenbar wie er ist. Ich fand meinen Player und spielte ein wenig damit herum.
Es entstehen Werke über eine lose Referenzialität hinaus, quasselt der Akademiker weiter. Vermittelte Werke, die aus ihrem ursprünglichen urbanen Kontext gelöst und in einen neuen diskursiven Kontext überführt werden. Bei einem wechselseitigen Einfluss jeweiliger Aneigungs- und Aktualisierungsstrategien, die allein schon deshalb als authentisch gelten müssen. Variationen machten ihre Bedingtheit produktiv. Zu fragen bleibe, in welchen urbanen Zwischenräumen. Will sagen, welche urbanen Verschiebungen daraus entstehen.
Das urbane Arschloch in der Akademie belehrt das urbane Arschloch außerhalb der Akademie darüber, dass die Gegenwartskunst die Erfüllung der vollurbanen Ideale sei, quasselt Kandinsky weiter.
Am meisten lohnt es sich, über lange Jahre möglichst viele Lager für möglichst viele Kunstsachen aufzubauen, quassele ich, und erschrecke. Es kam so unerwartet, dass sich mein Maul öffnete, und plötzlich etwas vorbrachte, an das ich wohl selbst auch noch glauben soll. Das darf auf keinen Fall zur Gewohnheit werden. Man macht sich nur beobachtbar, zu einer endlosen Rechtfertigungsgeschichte, die peinlich hilflos wirkt, weil sie den Begriff des dummen Irrtums nicht mehr finden kann.
Nachdem wir genug gequasselt und alle Gläser leer getrunken haben, verlassen Kandinsky und ich die Vernissage. Auf der Straße springen wir auf parkende Limousinen, verprügeln in der U-Bahn wahllos ein paar Mitfahrer mit samt ihren Hunden, und verschwinden anschließend in der Wiener Strasse, von fernher grölend:
...EVEN WITH ALL OUR TATTOOS... ALL OUR CHEAP THRILLS... THERES STILL A HOLE INSIDE OF US... THAT MAY NOT EVER GET FILLED...