Montag, 30. Januar 2012

Ganz böser Kunstexzess für coole Arschgesichter (1)






Bei allen sonst geltenden Hochwertungen von kontrolliertem Verhalten: in der Kunst ist es der entscheidende Fehler. Der Exzess selbst ist das Maß des Kunstverhaltens. Man zeigt seine Kunst schlecht, wenn man zeigt, dass man sie beherrschen könnte. Der Exzess erfordert daher ein Überschreiten der Grenze, die vor allem die Familie der Kunstfreunde und Kunstvereine zieht.

Zunächst rebelliert der Exzess gegen die Gebote der Konversationsgeselligkeit, und schlägt dem Kurator gleich eins in die Fresse. Danach legt er den Kurator auf den Boden, und zwar auf seinem niedrigsten Niveau auf den gut gefliesten Boden. Packt dann seine Frau so darauf, dass es ein hübsch audiogenes Geräusch wie von einem Karpfen macht, wenn man ihn am Schwanz packt und kräftig auf den Tisch klatscht. Dann klebt er noch diese Dogge auf ihren Rücken, der er zuvor, nachdem er hin und her überlegt hatte, die Beine absäbelte, weil sie nicht recht auf die füllige Frau passen wollte.

Nur der Exzess rechtfertigt die Kunst. 


Im zweiten Teil zeigen wir, wie man das, was von einem Exzess ohnehin verlangt wird, noch überschreiten kann.

Montag, 16. Januar 2012

Krieg der Kunstarmisten





Die letzten Jahrzehnte haben die Gegensätze vereinfacht. Die ganze Kultur spaltet sich mehr und mehr in zwei gegensätzliche Gruppen: Kreative und Nichtkreative. Mit der Kreativität der Kreativen hat sich zugleich die Ideenlosikeit der Unkreativen entwickelt, die nur existieren, als die Kreativen kreativ sind und den kulturellen Reichtum vermehren. 

Die Kreativen, die ihre Kreationen stückweise abgeben müssen, sind nur bloßer Antrieb einer Eventmaschine, an der alle anderen inklusive Maschinenverwalter hängen. In demselben Maße, in dem die Produktivität der Kreativen wächst, nehmen die Events zu. Sie sind nicht nur Sklaven der Events, sie sind täglich und stündlich geknechtet von der Eventmaschine, von der Verwaltung und vor allem von den einzelnen konsumierenden Unkreativen selbst. Diese Despotie ist um so kleinlicher, gehässiger, erbitterter, je offener sie das Event als ihren Zweck proklamiert.

Die Kreativen machten verschiedene Entwicklungen durch. Als halb Europa in Trümmern lag, und die Kuratoren und Eventmanager noch ihre Bürosessel suchten, haben sie sofort angefangen. Sie haben erste Kreationen geschaffen, und haben sie direkt geteilt: mit den Kindern, den Alten, den Kranken und denen, die zerstört und kaputt aus dem Weltkrieg der Eventmanager zurückkamen. Ihr  Widerstand begann mit der unpersönlichen, alle persönlichen Gegenseitigkeiten zerstörenden Eventgesellschaft. Im Anfang kämpften die einzelnen Kreativen noch jeder für sich, vernichteten Einladungsbescheide, versteckten ihre Kreationen, flüchteten in eventferne Gegenden, suchten ihre anerkannte frühere Stellung wieder zu gewinnen.
Auf dieser Stufe bildeten die Kreativen eine über den Kontinent zerstreute und verstörte Gruppe. Organisiertes Zusammenhalten war noch nicht die Folge ihrer eigenen Vereinigung. Aber die Interessen, die Lebenslagen innerhalb der Kreativen glichen sich immer mehr an, indem die Eventmaschinerie mehr und mehr die Unterschiede verwischte und die Individualitäten fast überall auf ein gleich mittelmäßiges Niveau herabdrückte. Die wachsende Konkurrenz der Kreativen unter sich und die daraus hervorgehenden Schaffenskrisen, die immer rascher sich entwickelnde, unaufhörliche Ausdehnung der Eventmaschinerie machte ihre ganze Lebensstellung immer unsicherer. Immer mehr kollidierten die einzelnen Kreativen mit dem einzelnen Unkreativen. Die Kreativen begannen damit, selbst dauernde Assoziationen zu gründen, um sich für den gelegentlichen Kampf zu verproviantieren. Stellenweise brach der Kampf in Emeuten aus.
Heute endlich, wo der Kampf sich der Entscheidung nähert, nimmt der Auflösungsprozess innerhalb der ganzen bisherigen Kultur einen so grellen Charakter an, dass ein kleiner Teil der Unkreativen sich von ihr lossagt und sich den Kunstarmisten anschließt, der Armee, welche die Zukunft in ihren Händen trägt. Die Bewegung der Kunstarmisten ist die selbständige Bewegung der Ideen, Motivationen und Projekte im Interesse der Ideen, Motivationen und Projekte. Die Kreativen, die versklavte Schicht der jetzigen Gesellschaft, kann sich nicht erheben, nicht aufrichten, ohne dass der ganze träge, lustlose, gelangweilte und ideenlose Überbau, der die offizielle Kultur bildet, in die Luft gesprengt wird.
Es tritt jetzt offen hervor, dass die Unkreativen unfähig sind, noch länger die herrschende Klasse zu bleiben und die Lebensbedingungen ihrer Klasse der Kultur als regelndes Gesetz aufzuzwingen. Sie ist unfähig zu herrschen, weil sie unfähig ist, ihrem Sklaven die Existenz selbst innerhalb seiner Sklaverei zu sichern, weil sie gezwungen ist, ihn in eine Lage herabsinken zu lassen, wo sie ihn erhalten muss, statt von ihm erhalten zu werden. Die Kulturgesellschaft kann nicht mehr unter ihr leben, d.h., ihr Leben ist nicht mehr verträglich mit der Kulturgesellschaft.
Mögen die herrschenden Klassen vor dem Krieg der Kunstarmisten zittern. Die Kunstarmisten haben nichts zu verlieren als ihre Ketten. Sie haben eine Welt zu gewinnen.