Samstag, 15. Dezember 2012

Die Schönheit des Opels





Ab 2016 ohne Bochum

Beim Übergang zur Betrachtung des eigentlich idealen Stils müssen wir uns noch einmal daran wieder erinnern, dass dem vollkommenen Design notwendig das unvollkommene voranzugehen hat. Und zwar nicht bloß der Technik (serienmäßige Frontspoiler, mattschwarz lackierte Motorhaube, schwarze Fensterumrandungen etc.), welche uns zunächst hier nichts weiter angeht, sondern der allgemeinen Idee, der Konzeption und innersubjektiven Art und Weise: Stiefel nachrahmengenähter Machart, glatte Ledersohle und konisch zulaufende Schuhspitze - bei jedem Wetter den Ellenbogen aus dem Fenster. 

Samstag, 10. November 2012

Nie wieder Deutschland schöner gesehen



Als man das Haus noch als subtropisches Schwimm-, Bade-, und Saunaparadies gestalten konnte, weil Energie so billig war.

Als Hausfrauen noch zu Hause bleiben durften, um für die Kinder da zu sein und Briefträger mit Morgenrock und Lockenwicklern zu verführen.

Als Herren noch Herrenmagazine entdeckten, am Kiosk, ganz hinten versteckt. 

Röhrende Hirsche auf Waldlichtungen über Sofagarnituren hingen, während im Zweiten Deutschen Fernsehen ein Wilddieb in eine Schlucht fiel und ein junges Paar in einer Kutsche zu wimmernden Geigen unter dem Schriftzug "Ende" auf einer Allee aus Rosenbüschen fuhr.


Als deutsche Teddyboys sich Pomade in die Haare schmierten, fast so schön wie Elvis, Lucy in the sky with diamonds und Uschi Obermaier kamen.

Als es noch eine Avantgarde gab, die Kunst machte, die sogar Staatsanwaltschaften interessierte. 

Als es in Deutschland noch ein echtes Fabrikproletariat gab, und Studenten und Lehrer früh aufstanden, um morgens um sechs Uhr am Werktor mit ihnen revolutionäre Solidarität zu haben.


Als die selben Studenten und Lehrer noch Ejakulationen hatten, weil sie eine rote Fahne vorne weg tragen durften und die Leute von der Straßenseite "geht doch rüber" riefen.

Als es noch "Gammler" gab, die so schöne Worte wie "Bocklosigkeit" erfanden und poetisch begabte Stadtsoziologen es als "motivationale Dysfunktionalität der kognitiven Disposition bei subversiven Populationsanteilen hinsichtlich sozialstruktureller Statuszuweisungen und Verhaltenserwartungen" deuteten...

Samstag, 22. September 2012

Video kills Mohammed-Superstar



“Pictures came and broke your heart”
Video – Medium mit allgemeinem Gebrauchswert. Gegen sonstwas, Christen, Juden, Muslime, jede Art von Weltanschauung, Geschlecht etc.
Machart – Protestantischer Minimalismus – Katholizismus, Islam, Koptiker = ästhetischer Überfluss:
Sure 56,15-23: “Auf golddurchwirkten Ruhebetten liegen die, die Gott nahe stehen, einander gegenüber, während ewig junge Knaben unter ihnen die Runde machen mit Humpen und Kannen voll Wein und einem Becher voll von Quellwasser, von dem sie weder Kopfweh bekommen noch betrunken werden und mit allerlei Früchten, was immer sie wünschen, und Fleisch von Geflügel, wonach sie Lust haben. Und großäugige Houris haben sie zu ihrer Verfügung, in ihrer Schönheit wohlverwahrten Perlen zu vergleichen” .
Action – “Und tötet sie, wo immer ihr sie trefft”
Vorgeschrieben ist euch der Kampf, obwohl er euch zuwider ist. Aber vielleicht ist euch etwas zuwider, während es gut für euch ist. Und vielleicht liebt ihr etwas, während es schlecht für euch ist. Und Gott weiß, ihr aber wißt nicht Bescheid.
Meinung (ist frei) darf auch Schlechtes meinen. Beispielsweise über Religion. Oder über einen Staat. Aber nicht über eine Religion, die auch Staatsgewalt ist. Das hat damit zu tun, dass bei Gleichheit von Religion und Staat eben diese nicht für sich sind, also Religion und Staat als solche auch nicht gemeint werden können. Die absolute Trennung vom Staat ist das Beste was einer Religion passieren kann. Denn dann kann sie selbst für sich gemeint werden. Und erst dann wissen, dass sie Religion und nur Religion ist. So kann auch erst an sie und nur an sie geglaubt werden.
Die Darstellung des Kopernikanischen Sonnensystems wäre auch nie Religionsbeleidigung gewesen, wenn nicht das kirchliche Rom Teil des weltlichen Machtstrebens gewesen wäre.
Reality – “Also macht euch Allahs seine Zeichen klar, auf daß ihr euch leiten lasset”
In die neuerliche Gewalt wird jetzt viel hineingeworfen: Hass auf West, koptische Subversion, inner-islamische Kämpfe usw.
Aber kann es die Sicht einer bürgerlichen Gesellschaft, in der es final um kontinuierliche Wohlstandsvermehrung und Besitzstandssicherung geht, überhaupt begreifen? Was ist mit der existenziellen Lebenssicherung dahinter? Wird diese nur noch erreicht, durch Aufgabe dessen, was gesichert werden soll? Wo sind die Leidenschaften, die es nicht sein können in dem, was gewohnheitsmäßig wird und so auch sicher sein soll? Wirkliche Bewegung im Betonwerden zufällig vorübergehender Bestimmungen?
Rückblickend auf die letzten zehn Jahre gibt es ein gewisses Muster: eine “unsachgemäße” Behandlung des Korans und gewalttätige Ausschreitungen in unmittelbarer Folge. Fast könnte man ein sich selbst reproduzierendes interkulturelles System dahinter vermuten.
aus netzbeton

Sonntag, 9. September 2012

Einführung in die Programmierung virtueller Diktatur






Keine Ahnung, 

ob Evolution Fortschritt ist oder ein dynamischer Prozess zur Erhaltung des Status quo. Mag sein, dass alle Insekten, die sich den permanenten Peztizidenangriffen gegenüber angepasst haben, jetzt die besseren Insekten sind. Genau wissen kann man es nicht. Die angeblich Primitiven sind fast verschwunden, die angeblich Zivilisierten angeblich immer höher zivilisiert. Unsere Kultur soll großartige Dinge in der Bewältigung von Dingen, die anscheinend aus welchen Gründen auch immer tatsächlich zu bewältigen waren, vollbracht haben. Einiges wurde bedacht, vieles blindlings vollbracht, wie Kulturdienst nach Vorschrift. Wir sind integrativ wie auch assimilativ. Darin auch programmiert, wie eine Art Sozialcomputer. Rein menschlich gesehen sind unsere Algorithmen gar nicht so schlecht, 


wie es vielleicht 
einer dieser letzten Wilden 
denken könnte.





Donnerstag, 30. August 2012

Der Schrei



Es ist nicht Sache der Kunst, 
wenn die Ärmsten ärmer werden. 
Die Reichsten müssen nur 
noch reicher werden.

Montag, 30. Juli 2012

Drittletzter Blog, bevor Europa untergeht


Jeden Tag seh ich es klarer. 


Der Untergang muss kommen. Wir brauchen ihn, und zwar  dringend. Die schönen Strahlen der Aufklärung, wie auch den Mut aufzubringen, den eigenen Verstand, so vorhanden, zu verwenden, waren eine gut gemeinte Sache. Dennoch haben uns die Energien des Gegenteils aus irgendeinem Grund voll erfasst. Ohne die Ästhetik einer Katastrophe kommen wir nicht weiter. Zu lange liegen die letzten Weltkriegskatastrophen zurück, als dass man sie erneuern könnte. Von den Erkenntnischancen einer atomaren Konfrontation, wie sie uns in den 50er bis 80er Jahren eingeräumt wurden, haben wir ebenfalls keinen Gebrauch gemacht.


 Sonst wären wir heute schon weiter.





"Die Nervosität der Bilder steht auch im Gegensatz zu der Ohnmacht angesichts der sich langsam nähernden Katastrophe, welche Europa schließlich in die Verzweiflung treiben und Justine mit Gelassenheit das Ende erwarten lässt. Ihr inneres Unglück erscheint angesichts des Unausweichlichen unbedeutend: Justine hat bereits alles verloren, während Europa alles genommen werden wird".



Sonntag, 17. Juni 2012

Ist das Documenta oder kann das weg?




In Betrachtung sogenannter Kunst machen Aussteller, Kuratoren und sogenannte Künstler sich es leicht, eine große Ausdehnung darin zu haben, was interessant, authentisch, verstörend, irritierend und so weiter sein soll. Sie ziehen auf der besorgten und bereitgestellten Fläche ihr Material, nämlich das schon Bekannte, Sortierte und Klassifizierte, heran. Und indem sie sich weiter vornehmlich um die Materialanhäufungen und Materialfetischismen zu tun machen, scheinen sie um so mehr das übrige, womit die vorgetragene Kunst schon fertig war, zu besitzen, zugleich auch das noch Unsortierte zu beherrschen, und somit alles dem Ausstellungskonzept zu unterwerfen, welches dadurch in allem erkannt, und zur auszubreitenden Kunst aufgestiegen zu sein scheint. Näher betrachtet zeigt aber diese Ausbreitung, dass sie nicht dadurch zustande gekommen ist, dass die Kunst sich selbst verschieden gestaltet hätte, sondern sie nur die bloße Wiederholung des einen und desselben ist, das nur an das verschiedene Material äußerlich angewendet wurde, und einen langweiligen Schein der Verschiedenheit erhält. 

Theaster zeigt halbverrottete Wandteile, Türen und Fenster, verbaute sie in einem heruntergekommenen Haus, wo nun Künstler während der Documenta wohnen, sich beobachten lassen und abends Jazz spielen… Lara häuft Metallschrott zu einer Skulptur, Teil zwei der Arbeit wird in Bagh-e Babur ausgestellt… Wael macht Puppenfilme frei nach einem Buch des Schriftstellers Maaloouf zu Kreuzzügen aus Sicht der Araber… Sanja zeigt ein Zeitungsbild aus 1933 mit einem Esel, der in einem kleinen Pferch aus Stacheldraht steht und von Nazis verspottet wird, das in die Mitte ihrer Installation "The Disobedient " hängt, zu der auch eine Vitrine voller Plüsch-Esel gehört… Tacita hat das Panorama der Bergkette um Kabul mit Kreide auf die schwarzen Wände eines ehemaligen Tresorraums gemalt… Gareth bastelt seit drei Monaten mit Sperrmüll, Fundstücken und gutem Geist an einer Architektur, die er Hüttendorf nennt… 

Die für sich (wohl als unbedingt "politisch" verstandene Idee) bleibt in der praktischen Umsetzung in ihrem permanenten Anfang stehen, wenn die Entwicklung in nichts als in einer solchen Wiederholung derselben Formel besteht. Die eine unbewegte Form vom betrachtenden Subjekt an dem Vorhandenen herumgeführt, das Material in dies (politisch irgendwie kritisch sein wollende) Element von außen her eingetaucht, dies ist so wenig, als willkürliche Einfälle über den Inhalt, die Erfüllung dessen, was behauptet wird, nämlich die aus sich kommende Vielfalt des (politisch) Authentischen und der sich selbst bestimmende Unterschied der Formen. Es ist vielmehr ein monotoner Formalismus, der nur zum Unterschied des Materials, und zwar dadurch kommt, weil dieser schon (politisch) kuratiert zubereitet und bekannt ist.

Samstag, 9. Juni 2012

Nur die Würmer in den Äpfeln sind wahre Künstler




Das radikale Selbsterkennen im absoluten Anderssein ist schon lange nicht mehr Grund und Material für Kunst. Was dem Betrachter an der Kunst jetzt gezeigt wird, ist die Auflösung dieses Anderssein in die Anpassung an gegebene Strukturen. Was aber noch übrig bleibt, ist die in den Betrachter verlängerte und dort erhaltene Vorstellung, dass die Kunst sich irgendwie immer noch im Anderssein bewege. 

Eine Reihe Apfelbäume wird gepflanzt, um später aus der Apfelernte Apfelmost zu produzieren und zu verkaufen. Ein gewerblicher Vorgang. Die Wiederholung dieses Vorgangs in einem Raum, der als Kunstraum behauptet wird, findet auch einen entsprechenden Kunsttext. Der Kunsttext behauptet, dass eine Reihe Apfelbäume gepflanzt wurde, um später aus der Apfelernte Apfelmost zu produzieren und zu verkaufen, aber nicht ohne zu ergänzen, dass der Vorgang in seiner Wiederholung dem Vorgang einen tieferen Grund gäbe. Wenn der angezeigte Grund, der in dem behaupteten Kunstraum geliefert wird, dem Betrachter dann einen Sinn für Kunst vermittelt, und die Kunst eben nur diese Vermittlung eines Anlasses für Kunst ist, ist dagegen das übergehende Wissen um die hierdurch zustande gekommene Selbstbestätigung von Kunst, gegen das mögliche Selbsterkennen in einem möglichen Anderssein gerichtet.


Zu Avantgards Zeiten gab es mehr von dem, was möglich werden könnte. Heute gibt es zu viel von dem, was längst schon möglich ist.


Die affirmative Kunst ist eine Mitmachkunst. Sie macht das Bekannte bekannt, das eben darum von den Mitmachenden ebenso wenig erkannt wird wie das Affirmative dieser Kunst selbst. Es ist gewöhnliche Selbsttäuschung wie Täuschung anderer, beim Mitmachen etwas als bekannt vorauszusetzen, um es sich dann doch als herbeigeredetes Unbekanntes gefallen zu lassen. Mit allem Hin- und Herreden kommt solche Kunst, ohne zu wissen, wie ihr geschieht, nicht von der Stelle seiner unerkannten Bekanntschaften. Das Event, das üblicherweise um diese Kunst herum konstruiert wird,  geht zwischen den Mitmachenden, die in sich und für sich unbewegt bleiben, hin und her, nur auf ihrer Oberfläche vor. Immerhin können sich die Mitmachenden aber noch darin verlängern, dass sie prüfen, ob jeder den behaupteten Text auch in seiner Wahrnehmung findet, ob es ihm so scheint , ihm bekannt ist oder nicht.


Sonntag, 27. Mai 2012

Japanisches Wasser überflutet deutsches Meer




Meine Füsse auf den Stränden der Nord- und Ostsee leckten Sauberkeit. Wie oft habe ich dort gestanden, dem Spiel der weißen, weiten Wellen zugeschaut, wie sie von der Flut gedrängt, schäumten und näher rauschten und rauschten. Ein Rauschen, Beben und Toben. Dazwischen die abgehenden Schiffe, sich draußen auf dem Meer zu öffnen, während die glühend rote Sonne hinter kühn aufragenden Offshore-Parks untergeht.

Nie hätte ich gedacht, dass fremdes Wasser so grausam sein kann. 

Donnerstag, 5. April 2012

Dichter kann nicht länger schweigen



Und zugegeben: ich schweige nicht mehr,
weil ich der Heuchelei des Westens
überdrüssig bin

Und warum nicht schweigen? Schweigen liegt der Kunst immerhin aus plattesten Gründen nahe. Oft genug hat sich das Medium für Füllungen und Überfüllungen quasselnder Textmassen hergegeben. Überdies könnte Kunst, die sich auf Politik bezieht, es trotzdem schaffen, nicht in Politik zu verenden. Die Sprache der Kunst. Ist eine Sprache, weil Vorfahren in Anbetracht weltlicher Komplexität viel in sie hineingelegt haben. Die Sprache der Politik schmeisst davon das meiste weg, weil eine verkürzte Sprache schneller in die Gehirne und Mäuler gestopft werden kann. Was hier weggeschmissen wird, kann für eine politische Kunst brauchbares Material sein. In der komplexen Welt gibt es für die Kunst ohnehin viel zu finden. Künstlerisch und sprachlich gibt es keinen Grund, sich von der normalen  Sprachpolizei zum Gebrauch standardisierter Schlagworte knüppeln zu lassen. 

Die Komplexität der Welt muss für eine politische Kunst kein Gegenstand sein, um daraus programmatische und massenkompatible Problemlösungsansätze zu fertigen. Sofern diese experimentierend sich vor Risiken nicht verkriecht. Nur Beamtenkunst ist.


Also warum jetzt diese Faselei des Augenblicks? Weil du der Heuchelei des Westens
überdrüssig bist; zudem darauf hoffst, es mögen sich viele vom Schweigen befreien,den Verursacher der erkennbaren Gefahr zum Verzicht auf Gewalt auffordern undgleichfalls darauf bestehen, daß Kontrolle durch eine Instanz von den Regierungen zugelassen wird?

Kunst unterscheidet sich von der Politik durch ein anderes Verhältnis zur Komplexität der Welt. Wenn Kunst gleiches Verhältnis annimmt, ist sie keine Kunst mehr, nur Politik. 

Montag, 2. April 2012

Lollapalooza



In einem weißen Tunnel, der an einen Laufsteg erinnert,
 inszeniert sich Gaga in der Rolle der genialen Künstlerin.



1. Das auf dem eigenen Körper ausgetragene Spiel mit Identitäten trifft auf das Porträtvokabular Alter Meister. 


2. Vor schwarzem Hintergrund arrangiert, strahlen ihre Umrisse einen heiligen Glanz aus. Vermöge der konsumkritischen Verwendung von Requisiten wie Bananen, Baguettes oder Würstchen ist sie in dieser Aufmachung das alles enthaltene und erfüllende Lichtwesen des neuen politischen Aufgangs, das sich in seiner formgebenden Substanzialität in höchstgesteigerter rebellischer Schönheit erhält. 


3. Nichts sonst kann ihr in die Quere kommen. 


4. Ihr Aufgehen ist dabei ebenso das Negative, die Finsternis, dargestellt durch einen goldenen Totenkopf am Bildrand, mit dessen greller Beleuchtung sich seltsam rituelle Schattenbemalungen auf ihrem Gesicht breit machen. 


5. Das weiter ausgebreitete Licht wirft eine Unendlichkeit von Formen auseinander und gibt sich ihr zum Opfer, dass sie, die Einzige, sich das Bestehen an ihrer feuerlichen Substanz  nimmt. 



(fame monster)



(Im Hintergrund)
(sieht man wehrlose Demonstranten)
(die von Polizisten mit Pfefferspray besprüht werden)






Sonntag, 26. Februar 2012

Das Leben ist ein langer breiter Fluss und Kunst schwimmt überall





Ein normaler Industriebetrieb, der Millionen Konsumenten mit Produkten bedient, wird heute von wenigen Leuten gehalten. Viele strömten in die Verwaltungen, wo man ihnen nach einiger Zeit erklärte, dass sie hier ebenfalls überflüssig seien. Nun haben sie hin und her überlegt, und wurden schließlich Künstler. Die einzige Möglichkeit, handwerklich tätig zu sein, dabei Sinn zu fühlen, und auf echten Ruhm und echte Anerkennung zu hoffen. Sie besuchten Akademien, wo man erfolgreiche Kunst lernen kann, oder, wenn es mit der Akademie nicht klappte, Kunstkurse, oder arbeiteten einfach zu Hause ein didaktisch mehr oder weniger gut gemachtes Lehrbuch durch.




Jetzt wird die industrielle Massenproduktion hart von der Kunstproduktion verfolgt. Zwar ist Kunst immer noch weitgehend handwerkliche Einzelfertigung, aber jede Einzelanfertigung wartet in einer gigantischen Halde an Einzelanfertigungen darauf, als Werk eines genieverdächtigen Individuums entdeckt zu werden. Der künstlerischen Einzelanfertigung geht es so wie einem einzelnen Industrieprodukt, neongrell verpackt muss es jeden Vorbeilaufenden anschreien. Nur läuft der Vorbeilaufende meistens weiter, und die Fertigung muss schreien. Besser schreit es sich schon, wenn man in einer bekannten Galerie hängt oder von einem renommierten Verlag auf Vorlesetour geschickt wird. Diesbezüglich kann man schon mal leiser rufen.




Die kühne Idee der 60er-Avantgarde, Kunst zu enthierarchisieren bzw. zu demokratisieren, scheint nicht zu funktionieren. Oder doch, wenn man davon ausgeht, dass in einer Kunstdemokratie Masse vor Qualität geht. Außerdem: Was heißt "Qualität"? Qualität ist eine Frage der Kriterien und der Institutionen, die Kriterien definieren und anwenden. Eine Jury kann Kriterien definieren und diese auf die Masse der Einsendungen so anwenden, dass nur ein einziger Preisträger herauskommt. Kunstverkäufer können die Menge der Käufe als Kriterium nehmen und danach "Bestenlisten" erstellen. Das allerdings kann Kunstkritiker wieder dazu bringen, zu behaupten, der Preisträger produziere ideenlose Wiederholungskunst und die Bestenliste enthalte von Platz 10 bis Platz 1 nur oberflächlichen Schwachsinn. Dann haben Kunstkritiker offensichtlich andere Kriterien.




Ein überzeugenderes Kriterium ist offensichtlich die Zeit. Jedenfalls ist die Zeit gnadenlos gegen die Masse der Kunst, übrigens auch gegen Bestenlisten und Kritiker, in dem sie das meiste einfach vergisst. Darin kann sie sehr eigenwillig sein, kann selbst einen für eine ganze Periode gefeierten Kunststar vergessen, dafür nach Jahrzehnten einen zuvor nie Gefeierten, nicht mal lokal Anerkannten, in den Kunsthimmel heben. Dieses Zeitkriterium ist zugleich die Hoffnung aller sich verkannt fühlenden Zeitgenossen, die es aufgegeben haben, von ihrer Zeit noch irgendetwas Erhebendes zu erwarten. Sie sind die große Masse, und jedes Teil dieser Masse kreiert endlos weiter, weil die Zeit ebenfalls endlos lang ist, selbst wenn man schon längst tot ist. Die lebendige Kunst hofft auf die tote.

Samstag, 18. Februar 2012

Ganz böser Kunstexzess (2)


Nur der Exzess rechtfertigt die Kunst. Im zweiten Teil zeigen wir, wie man das, was von einem Exzess ohnehin verlangt wird, noch überschreiten kann…





Der Exzess schaut sich kurz um. Der mit dem Seppelhut scheint der Exzessmaster zu sein. Er deutet immer mit der Zigarette an, wie man die Sache noch exzessiver gestalten könne. Der Frau sollen er das Knie ihres Mannes unters Kinn geben. Dafür schneidet er ein wenig an ihr herum. Ihrem Mann steckt er als Gegenmotiv zur durchscheinenden Liebesmetaphorik das Messer ins Gesicht. Die Kinder liegen noch im Keller. Er holt sie rauf. Eins davon kann er nicht brauchen. Die Dreizehnjährige passt ganz und gar nicht ins Gesamtdesign. Er macht sie deshalb auf und presst sie unter die Frau. Das stimmt, weil es die Frau auf irrsinnig komische Weise hebt. Den Rest legt er auf die Dogge. Der Master wird trotzdem nervös. An der Sache scheint noch immer irgendetwas zu fehlen. Er soll die Nachbarin dazu holen. Aber die ist nicht zu Haus. Stattdessen nimmt er eine vorbeilaufende Zahnarzthelferin von der Strasse. Aber die will wieder der Master aus nicht ganz nachvollziehbaren Gründen nicht dabei haben. Zum etwas enttäuschenden Schluss wirft er die Helferin nebst ein Hände, Handtasche, Augen, Zahnbrücken und anderen Überresten in die Badewanne nebenan...

Die Differenz zur normalen, ansonsten stinklangweiligen Kunst macht es möglich, einen Sachverhalt zu entdecken und zu formulieren, der seitdem zu den Eigengesetzlichkeiten des Kunstexzesses gehört, aber als solche erst spät in die erneuerte Kunsttheorie aufgenommen wurde: Um ein Kunstwerk interessanter zu machen, muss man sogar einen Gehirnschaden im Kauf nehmen. - Das soll freilich nicht besagen, dass ständig Extrempositionen eingenommen werden müssen. So ist die bedingungslose Unterwerfung unter den Exzess zugleich Appell an die bedächtige Kunst, und die Angesprochene wird als sentimental, spießig und verkitscht charakterisiert, wenn sie nicht entgegenkommt. 

Montag, 30. Januar 2012

Ganz böser Kunstexzess für coole Arschgesichter (1)






Bei allen sonst geltenden Hochwertungen von kontrolliertem Verhalten: in der Kunst ist es der entscheidende Fehler. Der Exzess selbst ist das Maß des Kunstverhaltens. Man zeigt seine Kunst schlecht, wenn man zeigt, dass man sie beherrschen könnte. Der Exzess erfordert daher ein Überschreiten der Grenze, die vor allem die Familie der Kunstfreunde und Kunstvereine zieht.

Zunächst rebelliert der Exzess gegen die Gebote der Konversationsgeselligkeit, und schlägt dem Kurator gleich eins in die Fresse. Danach legt er den Kurator auf den Boden, und zwar auf seinem niedrigsten Niveau auf den gut gefliesten Boden. Packt dann seine Frau so darauf, dass es ein hübsch audiogenes Geräusch wie von einem Karpfen macht, wenn man ihn am Schwanz packt und kräftig auf den Tisch klatscht. Dann klebt er noch diese Dogge auf ihren Rücken, der er zuvor, nachdem er hin und her überlegt hatte, die Beine absäbelte, weil sie nicht recht auf die füllige Frau passen wollte.

Nur der Exzess rechtfertigt die Kunst. 


Im zweiten Teil zeigen wir, wie man das, was von einem Exzess ohnehin verlangt wird, noch überschreiten kann.

Montag, 16. Januar 2012

Krieg der Kunstarmisten





Die letzten Jahrzehnte haben die Gegensätze vereinfacht. Die ganze Kultur spaltet sich mehr und mehr in zwei gegensätzliche Gruppen: Kreative und Nichtkreative. Mit der Kreativität der Kreativen hat sich zugleich die Ideenlosikeit der Unkreativen entwickelt, die nur existieren, als die Kreativen kreativ sind und den kulturellen Reichtum vermehren. 

Die Kreativen, die ihre Kreationen stückweise abgeben müssen, sind nur bloßer Antrieb einer Eventmaschine, an der alle anderen inklusive Maschinenverwalter hängen. In demselben Maße, in dem die Produktivität der Kreativen wächst, nehmen die Events zu. Sie sind nicht nur Sklaven der Events, sie sind täglich und stündlich geknechtet von der Eventmaschine, von der Verwaltung und vor allem von den einzelnen konsumierenden Unkreativen selbst. Diese Despotie ist um so kleinlicher, gehässiger, erbitterter, je offener sie das Event als ihren Zweck proklamiert.

Die Kreativen machten verschiedene Entwicklungen durch. Als halb Europa in Trümmern lag, und die Kuratoren und Eventmanager noch ihre Bürosessel suchten, haben sie sofort angefangen. Sie haben erste Kreationen geschaffen, und haben sie direkt geteilt: mit den Kindern, den Alten, den Kranken und denen, die zerstört und kaputt aus dem Weltkrieg der Eventmanager zurückkamen. Ihr  Widerstand begann mit der unpersönlichen, alle persönlichen Gegenseitigkeiten zerstörenden Eventgesellschaft. Im Anfang kämpften die einzelnen Kreativen noch jeder für sich, vernichteten Einladungsbescheide, versteckten ihre Kreationen, flüchteten in eventferne Gegenden, suchten ihre anerkannte frühere Stellung wieder zu gewinnen.
Auf dieser Stufe bildeten die Kreativen eine über den Kontinent zerstreute und verstörte Gruppe. Organisiertes Zusammenhalten war noch nicht die Folge ihrer eigenen Vereinigung. Aber die Interessen, die Lebenslagen innerhalb der Kreativen glichen sich immer mehr an, indem die Eventmaschinerie mehr und mehr die Unterschiede verwischte und die Individualitäten fast überall auf ein gleich mittelmäßiges Niveau herabdrückte. Die wachsende Konkurrenz der Kreativen unter sich und die daraus hervorgehenden Schaffenskrisen, die immer rascher sich entwickelnde, unaufhörliche Ausdehnung der Eventmaschinerie machte ihre ganze Lebensstellung immer unsicherer. Immer mehr kollidierten die einzelnen Kreativen mit dem einzelnen Unkreativen. Die Kreativen begannen damit, selbst dauernde Assoziationen zu gründen, um sich für den gelegentlichen Kampf zu verproviantieren. Stellenweise brach der Kampf in Emeuten aus.
Heute endlich, wo der Kampf sich der Entscheidung nähert, nimmt der Auflösungsprozess innerhalb der ganzen bisherigen Kultur einen so grellen Charakter an, dass ein kleiner Teil der Unkreativen sich von ihr lossagt und sich den Kunstarmisten anschließt, der Armee, welche die Zukunft in ihren Händen trägt. Die Bewegung der Kunstarmisten ist die selbständige Bewegung der Ideen, Motivationen und Projekte im Interesse der Ideen, Motivationen und Projekte. Die Kreativen, die versklavte Schicht der jetzigen Gesellschaft, kann sich nicht erheben, nicht aufrichten, ohne dass der ganze träge, lustlose, gelangweilte und ideenlose Überbau, der die offizielle Kultur bildet, in die Luft gesprengt wird.
Es tritt jetzt offen hervor, dass die Unkreativen unfähig sind, noch länger die herrschende Klasse zu bleiben und die Lebensbedingungen ihrer Klasse der Kultur als regelndes Gesetz aufzuzwingen. Sie ist unfähig zu herrschen, weil sie unfähig ist, ihrem Sklaven die Existenz selbst innerhalb seiner Sklaverei zu sichern, weil sie gezwungen ist, ihn in eine Lage herabsinken zu lassen, wo sie ihn erhalten muss, statt von ihm erhalten zu werden. Die Kulturgesellschaft kann nicht mehr unter ihr leben, d.h., ihr Leben ist nicht mehr verträglich mit der Kulturgesellschaft.
Mögen die herrschenden Klassen vor dem Krieg der Kunstarmisten zittern. Die Kunstarmisten haben nichts zu verlieren als ihre Ketten. Sie haben eine Welt zu gewinnen.