Sonntag, 17. Juni 2012

Ist das Documenta oder kann das weg?




In Betrachtung sogenannter Kunst machen Aussteller, Kuratoren und sogenannte Künstler sich es leicht, eine große Ausdehnung darin zu haben, was interessant, authentisch, verstörend, irritierend und so weiter sein soll. Sie ziehen auf der besorgten und bereitgestellten Fläche ihr Material, nämlich das schon Bekannte, Sortierte und Klassifizierte, heran. Und indem sie sich weiter vornehmlich um die Materialanhäufungen und Materialfetischismen zu tun machen, scheinen sie um so mehr das übrige, womit die vorgetragene Kunst schon fertig war, zu besitzen, zugleich auch das noch Unsortierte zu beherrschen, und somit alles dem Ausstellungskonzept zu unterwerfen, welches dadurch in allem erkannt, und zur auszubreitenden Kunst aufgestiegen zu sein scheint. Näher betrachtet zeigt aber diese Ausbreitung, dass sie nicht dadurch zustande gekommen ist, dass die Kunst sich selbst verschieden gestaltet hätte, sondern sie nur die bloße Wiederholung des einen und desselben ist, das nur an das verschiedene Material äußerlich angewendet wurde, und einen langweiligen Schein der Verschiedenheit erhält. 

Theaster zeigt halbverrottete Wandteile, Türen und Fenster, verbaute sie in einem heruntergekommenen Haus, wo nun Künstler während der Documenta wohnen, sich beobachten lassen und abends Jazz spielen… Lara häuft Metallschrott zu einer Skulptur, Teil zwei der Arbeit wird in Bagh-e Babur ausgestellt… Wael macht Puppenfilme frei nach einem Buch des Schriftstellers Maaloouf zu Kreuzzügen aus Sicht der Araber… Sanja zeigt ein Zeitungsbild aus 1933 mit einem Esel, der in einem kleinen Pferch aus Stacheldraht steht und von Nazis verspottet wird, das in die Mitte ihrer Installation "The Disobedient " hängt, zu der auch eine Vitrine voller Plüsch-Esel gehört… Tacita hat das Panorama der Bergkette um Kabul mit Kreide auf die schwarzen Wände eines ehemaligen Tresorraums gemalt… Gareth bastelt seit drei Monaten mit Sperrmüll, Fundstücken und gutem Geist an einer Architektur, die er Hüttendorf nennt… 

Die für sich (wohl als unbedingt "politisch" verstandene Idee) bleibt in der praktischen Umsetzung in ihrem permanenten Anfang stehen, wenn die Entwicklung in nichts als in einer solchen Wiederholung derselben Formel besteht. Die eine unbewegte Form vom betrachtenden Subjekt an dem Vorhandenen herumgeführt, das Material in dies (politisch irgendwie kritisch sein wollende) Element von außen her eingetaucht, dies ist so wenig, als willkürliche Einfälle über den Inhalt, die Erfüllung dessen, was behauptet wird, nämlich die aus sich kommende Vielfalt des (politisch) Authentischen und der sich selbst bestimmende Unterschied der Formen. Es ist vielmehr ein monotoner Formalismus, der nur zum Unterschied des Materials, und zwar dadurch kommt, weil dieser schon (politisch) kuratiert zubereitet und bekannt ist.

Samstag, 9. Juni 2012

Nur die Würmer in den Äpfeln sind wahre Künstler




Das radikale Selbsterkennen im absoluten Anderssein ist schon lange nicht mehr Grund und Material für Kunst. Was dem Betrachter an der Kunst jetzt gezeigt wird, ist die Auflösung dieses Anderssein in die Anpassung an gegebene Strukturen. Was aber noch übrig bleibt, ist die in den Betrachter verlängerte und dort erhaltene Vorstellung, dass die Kunst sich irgendwie immer noch im Anderssein bewege. 

Eine Reihe Apfelbäume wird gepflanzt, um später aus der Apfelernte Apfelmost zu produzieren und zu verkaufen. Ein gewerblicher Vorgang. Die Wiederholung dieses Vorgangs in einem Raum, der als Kunstraum behauptet wird, findet auch einen entsprechenden Kunsttext. Der Kunsttext behauptet, dass eine Reihe Apfelbäume gepflanzt wurde, um später aus der Apfelernte Apfelmost zu produzieren und zu verkaufen, aber nicht ohne zu ergänzen, dass der Vorgang in seiner Wiederholung dem Vorgang einen tieferen Grund gäbe. Wenn der angezeigte Grund, der in dem behaupteten Kunstraum geliefert wird, dem Betrachter dann einen Sinn für Kunst vermittelt, und die Kunst eben nur diese Vermittlung eines Anlasses für Kunst ist, ist dagegen das übergehende Wissen um die hierdurch zustande gekommene Selbstbestätigung von Kunst, gegen das mögliche Selbsterkennen in einem möglichen Anderssein gerichtet.


Zu Avantgards Zeiten gab es mehr von dem, was möglich werden könnte. Heute gibt es zu viel von dem, was längst schon möglich ist.


Die affirmative Kunst ist eine Mitmachkunst. Sie macht das Bekannte bekannt, das eben darum von den Mitmachenden ebenso wenig erkannt wird wie das Affirmative dieser Kunst selbst. Es ist gewöhnliche Selbsttäuschung wie Täuschung anderer, beim Mitmachen etwas als bekannt vorauszusetzen, um es sich dann doch als herbeigeredetes Unbekanntes gefallen zu lassen. Mit allem Hin- und Herreden kommt solche Kunst, ohne zu wissen, wie ihr geschieht, nicht von der Stelle seiner unerkannten Bekanntschaften. Das Event, das üblicherweise um diese Kunst herum konstruiert wird,  geht zwischen den Mitmachenden, die in sich und für sich unbewegt bleiben, hin und her, nur auf ihrer Oberfläche vor. Immerhin können sich die Mitmachenden aber noch darin verlängern, dass sie prüfen, ob jeder den behaupteten Text auch in seiner Wahrnehmung findet, ob es ihm so scheint , ihm bekannt ist oder nicht.