Donnerstag, 30. Dezember 2010

kunstkrieg 2011: global zero



Der Finanzrahmen für das militärische Anspruchsniveau der Kunstarmee ist äußerst eng geworden. Ohnehin kann der Kunstsoldat tun was er will, die U-Bahn besetzen, Fahrgästen ins Gesicht schlagen, den Kulturminister kontaminieren, an den Reichstag pinkeln, die Nationalgalerie stürmen. Im Einsatzgebiet zählt nur die reine Quantität der erreichten Aufmerksamkeit von Kuratoren, Kunstvereinen, Biennalen bis zum Zeitpunkt der tatsächlichen Zündung der mitgeführten Lärmwaffen. Sein historischer Kampf gegen die systemisch vorwärtsstürmende Abnutzung aller noch möglichen Kunstformen zwingt ihn, seine Eigenkräfte zu retten und zur Aufrechterhaltung seines Selbst rücksichtslos in global zero zu gehen. Null Toleranz für unentschiedene Memmen, arbeitsfreies Anspruchsdenken, institutionalisierte Abhängigkeit, hilflos verwirrte Verlierertypen, Verlustbringer und Sinnesvernebelungen in allen koksigen Formen. Werde Kunstkrieger, und dir wird eng die egalitär verblasene Welt.
Seine plug and fight capability hat er mit "survive" überschrieben. Und schau mal, sie zeigt sogar, was sie verspricht:

1. ungerecht,
2. unsolidarisch,
3. desintegriert,
4. elitär,
5. atavistisch,
6. alternativlos,
7. antipoetisch,
8. unreflektiert,
9. gegenwartslos,
10. maximalistisch,
11. postreaktionär,
12. endlich (nicht erneuerbar).

Sonntag, 26. Dezember 2010

Ein fescher Fall vom Klo ist meiner Aufmerksamkeit nicht abhold


Der Kunstsoldat und die Institutional Critique
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Man sieht grobkörnige Lichtbilder von Hochhausdächern, Gepäckbändern, Büroräumen, dazu einen Raum mit verbeulten Mülleimern, diverse Videos, die die Künstlerin zeigen, wie sie sich selbst gegen den Kopf schlägt, ein Fahrrad zertrümmert, langsam vom Klo fällt, auf einer U-Bahn-Fahrt einen wilden Tanz aufführt und sich dort entkleidet auf den Boden wirft.

Ein gewisser Geruch von Bedeutung und städtischer Abluft breitet sich in der Galerie aus. Darin erklärt ein abwesender Kunstakademiker den um Anwesenheit bemühten Spießerklamotten, dass aufbegehrende Urbanität hier eine bewusste Site-Specificity nebst Entortung, Neuverortung der Dinge etc. etc. verfolge. In einem Netz von Zusammenhängen und Bezügen. Im Zentrum stehe eine selbstreferenzielle Übertragung kanonisch gewordener Positionen der Kunstgeschichte in urbane Gegenwart.

So selbstreferenziell sei das Ganze nun auch wieder nicht, lästert Kandinsky dazwischen. Die urbanen Kunstlehrer nehmen ihre urbanen Kunstschüler in die metropolitische Staatszange und zerquetschen sie. Über ihr akademisches Sehen kommen die akademischen Rennpferde nicht hinaus. Fressen täglich 50 Kilo Grünzeug vom Stadtparkrasen, aber sehen nur das, was man ihnen vorsetzt. Akademie ist ein misslungenes Verbrechen blinder Folgsamkeit im Stadtverkehr. Herumglotzerei auf der Straße nennt sie authentische Auseinandersetzung. Vor den metropolitischen Erektionen beigaben- und pensionsberechtigter Kunstpharaonen kann man nur warnen.

Mir ist das ziemlich egal, was Kandinsky da quasselt, auch wenn alle denken, ich sei sein uneingeschränkter Bestätiger. Tatsächlich habe ich nicht die geringste Ahnung, worauf er hinaus will. Chaotisch und unberechenbar wie er ist. Ich fand meinen Player und spielte ein wenig damit herum.

Es entstehen Werke über eine lose Referenzialität hinaus, quasselt der Akademiker weiter. Vermittelte Werke, die aus ihrem ursprünglichen urbanen Kontext gelöst und in einen neuen diskursiven Kontext überführt werden. Bei einem wechselseitigen Einfluss jeweiliger Aneigungs- und Aktualisierungsstrategien, die allein schon deshalb als authentisch gelten müssen. Variationen machten ihre Bedingtheit produktiv. Zu fragen bleibe, in welchen urbanen Zwischenräumen. Will sagen, welche urbanen Verschiebungen daraus entstehen.

Das urbane Arschloch in der Akademie belehrt das urbane Arschloch außerhalb der Akademie darüber, dass die Gegenwartskunst die Erfüllung der vollurbanen Ideale sei, quasselt Kandinsky weiter.

Am meisten lohnt es sich, über lange Jahre möglichst viele Lager für möglichst viele Kunstsachen aufzubauen, quassele ich, und erschrecke. Es kam so unerwartet, dass sich mein Maul öffnete, und plötzlich etwas vorbrachte, an das ich wohl selbst auch noch glauben soll. Das darf auf keinen Fall zur Gewohnheit werden. Man macht sich nur beobachtbar, zu einer endlosen Rechtfertigungsgeschichte, die peinlich hilflos wirkt, weil sie den Begriff des dummen Irrtums nicht mehr finden kann.

Nachdem wir genug gequasselt und alle Gläser leer getrunken haben, verlassen Kandinsky und ich die Vernissage. Auf der Straße springen wir auf parkende Limousinen, verprügeln in der U-Bahn wahllos ein paar Mitfahrer mit samt ihren Hunden, und verschwinden anschließend in der Wiener Strasse, von fernher grölend:

...EVEN WITH ALL OUR TATTOOS... ALL OUR CHEAP THRILLS... THERES STILL A HOLE INSIDE OF US... THAT MAY NOT EVER GET FILLED...

Samstag, 25. Dezember 2010

Schöner Wald


Sitze auf dem Hochsitz, ethisch redend, aber selbstbezüglich schweigend, und dann endlich bereit zu sagen, dass es nicht nur auf das Materielle ankommt. Denn mindestens ebenso schön ist es, das eigene Gutsein und Guttun immer wieder rein anzuschauen, wie es so einfach gut ist, wie es nicht aufhören will, gut zu sein, wie es immer mehr Gutes möchte, sogar auch mal völlig selbstlos, und wie allmählich wirklich alles gut wird. Genau so stelle ich mir das vor.

Freitag, 10. Dezember 2010

Nimm an, die Kunst sei hierarchisch



Heute weiß ich, dass meine Wahrnehmungen eine Konstruktion meines Gehirns sind und nur durch mein Bewusstsein so behandelt werden, als würden sie sich auf irgendetwas da draußen beziehen... So laufe ich also mit der Gesamtheit der Eigenwerte meiner neuronalen Operationen durch dieses anscheinend reale Stadtmuseum und lass mich durch diesen scheinbar realen Katalog in meiner angeblichen Hand aufmerksam machen... Ich merke sofort, dass sich hier anscheinend etwas aufgetürmt hat, das ein nichtnormales, in seiner Dimensionalität, Imperialität, Hoheit und Mächtigkeit geradezu irritierendes und verstörendes Verhältnis zu meinen neuronalen Aktivitäten sucht... Es sagt, hier bin ich und du gehörst jetzt mir... Und so erhebt es sich nicht nur, sondern steigt auch noch herab, anscheinend mit dem einzigen Ziel, mich klein zu machen und zu vernichten... Es verweist auf einen galaktischen Bereich jenseits der Kunst... Es evoziert Ereignisse, die außerhalb des Nachvollziehbaren liegen... Es kreist um die Organisation von Abstand und Nähe... Es zerrt die Verzweiflung ans Licht... Sagt der Katalog... Und was sage ich?... Es möbliert die Galaxie des Schweigens.