Donnerstag, 30. Dezember 2010

kunstkrieg 2011: global zero



Der Finanzrahmen für das militärische Anspruchsniveau der Kunstarmee ist äußerst eng geworden. Ohnehin kann der Kunstsoldat tun was er will, die U-Bahn besetzen, Fahrgästen ins Gesicht schlagen, den Kulturminister kontaminieren, an den Reichstag pinkeln, die Nationalgalerie stürmen. Im Einsatzgebiet zählt nur die reine Quantität der erreichten Aufmerksamkeit von Kuratoren, Kunstvereinen, Biennalen bis zum Zeitpunkt der tatsächlichen Zündung der mitgeführten Lärmwaffen. Sein historischer Kampf gegen die systemisch vorwärtsstürmende Abnutzung aller noch möglichen Kunstformen zwingt ihn, seine Eigenkräfte zu retten und zur Aufrechterhaltung seines Selbst rücksichtslos in global zero zu gehen. Null Toleranz für unentschiedene Memmen, arbeitsfreies Anspruchsdenken, institutionalisierte Abhängigkeit, hilflos verwirrte Verlierertypen, Verlustbringer und Sinnesvernebelungen in allen koksigen Formen. Werde Kunstkrieger, und dir wird eng die egalitär verblasene Welt.
Seine plug and fight capability hat er mit "survive" überschrieben. Und schau mal, sie zeigt sogar, was sie verspricht:

1. ungerecht,
2. unsolidarisch,
3. desintegriert,
4. elitär,
5. atavistisch,
6. alternativlos,
7. antipoetisch,
8. unreflektiert,
9. gegenwartslos,
10. maximalistisch,
11. postreaktionär,
12. endlich (nicht erneuerbar).

Sonntag, 26. Dezember 2010

Ein fescher Fall vom Klo ist meiner Aufmerksamkeit nicht abhold


Der Kunstsoldat und die Institutional Critique
.
Man sieht grobkörnige Lichtbilder von Hochhausdächern, Gepäckbändern, Büroräumen, dazu einen Raum mit verbeulten Mülleimern, diverse Videos, die die Künstlerin zeigen, wie sie sich selbst gegen den Kopf schlägt, ein Fahrrad zertrümmert, langsam vom Klo fällt, auf einer U-Bahn-Fahrt einen wilden Tanz aufführt und sich dort entkleidet auf den Boden wirft.

Ein gewisser Geruch von Bedeutung und städtischer Abluft breitet sich in der Galerie aus. Darin erklärt ein abwesender Kunstakademiker den um Anwesenheit bemühten Spießerklamotten, dass aufbegehrende Urbanität hier eine bewusste Site-Specificity nebst Entortung, Neuverortung der Dinge etc. etc. verfolge. In einem Netz von Zusammenhängen und Bezügen. Im Zentrum stehe eine selbstreferenzielle Übertragung kanonisch gewordener Positionen der Kunstgeschichte in urbane Gegenwart.

So selbstreferenziell sei das Ganze nun auch wieder nicht, lästert Kandinsky dazwischen. Die urbanen Kunstlehrer nehmen ihre urbanen Kunstschüler in die metropolitische Staatszange und zerquetschen sie. Über ihr akademisches Sehen kommen die akademischen Rennpferde nicht hinaus. Fressen täglich 50 Kilo Grünzeug vom Stadtparkrasen, aber sehen nur das, was man ihnen vorsetzt. Akademie ist ein misslungenes Verbrechen blinder Folgsamkeit im Stadtverkehr. Herumglotzerei auf der Straße nennt sie authentische Auseinandersetzung. Vor den metropolitischen Erektionen beigaben- und pensionsberechtigter Kunstpharaonen kann man nur warnen.

Mir ist das ziemlich egal, was Kandinsky da quasselt, auch wenn alle denken, ich sei sein uneingeschränkter Bestätiger. Tatsächlich habe ich nicht die geringste Ahnung, worauf er hinaus will. Chaotisch und unberechenbar wie er ist. Ich fand meinen Player und spielte ein wenig damit herum.

Es entstehen Werke über eine lose Referenzialität hinaus, quasselt der Akademiker weiter. Vermittelte Werke, die aus ihrem ursprünglichen urbanen Kontext gelöst und in einen neuen diskursiven Kontext überführt werden. Bei einem wechselseitigen Einfluss jeweiliger Aneigungs- und Aktualisierungsstrategien, die allein schon deshalb als authentisch gelten müssen. Variationen machten ihre Bedingtheit produktiv. Zu fragen bleibe, in welchen urbanen Zwischenräumen. Will sagen, welche urbanen Verschiebungen daraus entstehen.

Das urbane Arschloch in der Akademie belehrt das urbane Arschloch außerhalb der Akademie darüber, dass die Gegenwartskunst die Erfüllung der vollurbanen Ideale sei, quasselt Kandinsky weiter.

Am meisten lohnt es sich, über lange Jahre möglichst viele Lager für möglichst viele Kunstsachen aufzubauen, quassele ich, und erschrecke. Es kam so unerwartet, dass sich mein Maul öffnete, und plötzlich etwas vorbrachte, an das ich wohl selbst auch noch glauben soll. Das darf auf keinen Fall zur Gewohnheit werden. Man macht sich nur beobachtbar, zu einer endlosen Rechtfertigungsgeschichte, die peinlich hilflos wirkt, weil sie den Begriff des dummen Irrtums nicht mehr finden kann.

Nachdem wir genug gequasselt und alle Gläser leer getrunken haben, verlassen Kandinsky und ich die Vernissage. Auf der Straße springen wir auf parkende Limousinen, verprügeln in der U-Bahn wahllos ein paar Mitfahrer mit samt ihren Hunden, und verschwinden anschließend in der Wiener Strasse, von fernher grölend:

...EVEN WITH ALL OUR TATTOOS... ALL OUR CHEAP THRILLS... THERES STILL A HOLE INSIDE OF US... THAT MAY NOT EVER GET FILLED...

Samstag, 25. Dezember 2010

Schöner Wald


Sitze auf dem Hochsitz, ethisch redend, aber selbstbezüglich schweigend, und dann endlich bereit zu sagen, dass es nicht nur auf das Materielle ankommt. Denn mindestens ebenso schön ist es, das eigene Gutsein und Guttun immer wieder rein anzuschauen, wie es so einfach gut ist, wie es nicht aufhören will, gut zu sein, wie es immer mehr Gutes möchte, sogar auch mal völlig selbstlos, und wie allmählich wirklich alles gut wird. Genau so stelle ich mir das vor.

Freitag, 10. Dezember 2010

Nimm an, die Kunst sei hierarchisch



Heute weiß ich, dass meine Wahrnehmungen eine Konstruktion meines Gehirns sind und nur durch mein Bewusstsein so behandelt werden, als würden sie sich auf irgendetwas da draußen beziehen... So laufe ich also mit der Gesamtheit der Eigenwerte meiner neuronalen Operationen durch dieses anscheinend reale Stadtmuseum und lass mich durch diesen scheinbar realen Katalog in meiner angeblichen Hand aufmerksam machen... Ich merke sofort, dass sich hier anscheinend etwas aufgetürmt hat, das ein nichtnormales, in seiner Dimensionalität, Imperialität, Hoheit und Mächtigkeit geradezu irritierendes und verstörendes Verhältnis zu meinen neuronalen Aktivitäten sucht... Es sagt, hier bin ich und du gehörst jetzt mir... Und so erhebt es sich nicht nur, sondern steigt auch noch herab, anscheinend mit dem einzigen Ziel, mich klein zu machen und zu vernichten... Es verweist auf einen galaktischen Bereich jenseits der Kunst... Es evoziert Ereignisse, die außerhalb des Nachvollziehbaren liegen... Es kreist um die Organisation von Abstand und Nähe... Es zerrt die Verzweiflung ans Licht... Sagt der Katalog... Und was sage ich?... Es möbliert die Galaxie des Schweigens.

Sonntag, 7. November 2010

Frau Stefanie Herings Gespür für das Echte in der Kunst


Diese Kuratorin aus Berlin ist ganz von seiner Art. Auch wenn sie genau genommen keine Kuratorin ist und nicht wirklich in Berlin. Aber der Kunstsoldat mag ihr außergewöhnlich gutes Verhältnis zu wahrer Kunst. Ein absolut faszinierendes Weiberfiber. Unglaublich, wie pathetisch sie selbst bei einer mittelprächtigen Arbeit werden kann. Ohne auch nur ansatzweise naiv zu wirken.

Die Arbeiten des Kunstsoldaten, sagt sie, verfügten über eine tiefe, persönliche Bedeutungsebene. Seine Meditationen im Bereich der Raumwahrnehmung setzten eine tiefe Selbstreflexion voraus und bildeten eine Parallele zu seinen persönlichen Grenzen. Sind die Grenzen, die sich in uns befinden, fragt sie äußerst gewinnend das äußerst transparente Kunstpublikum, vergleichbar mit der durchsichtigen, zu durchquerenden Kammerwand? Oder sind diese Grenzen virtuelle Produkte unserer inneren Vorstellungen, die wir durch tiefe Selbstbesinnung auflösen könnten? - Und wie sie es versteht, die verschiedenen Dekontextualisierungen des Künstlers hervorzuheben. Ferner auch seine verschiedenen Rekontextualisierungen sowie die hier entwickelten, stets verstörend wirkenden Formen der künstlerischen Selbsttherapierung. Am Ende ein perfektes "Ich danke für ihre Aufmerksamkeit" und anhaltender Beifall eines mindestens virtuell begeisterten Publikums.

Diese Frau geht tief. Für den Kunstsoldaten symbolisiert sie die Forderung eines Neubeginns der Kunstrezeption jenseits oberflächlicher Kunstbetriebsamkeit. Dass sie nach ihrem eindrucksvollen Auftritt unvermittelt wieder abgetaucht ist, drei Hotels der gehobenen Preisklasse anwies, die von ihr verursachten Übernachtungskosten mit dem örtlichen Museum für Gegenwartskunst zu begleichen, schmälert keinesfalls ihre außergewöhnlichen Fähigkeiten. Auch wenn sie angeblich in diesem Museum nie vorstellig geworden ist, hätte sie es immerhin tun können. Hätte dieser angeblichen Kultureinrichtung professionell zeigen können, wo es kunst- und tiefenheoretisch lang zu gehen hat. Wahre Kunstkennerschaft findet ihre Anerkennungsmotive in sich selbst, nicht in irgendwelchen läppischen Hotelrechnungen.

Dass dann auch noch im Feuilleton der örtlichen Presse verbreitet wurde, die Frau hätte einen leicht "ungepflegten Eindruck" gemacht und leide zudem an einer "Wahrnehmungsstörung", ist ein weiterer Beweis für das nahende Ende der sich derzeit noch an komplett verkennender Arroganz festhaltenden Kunsthofgesellschaft.

Montag, 11. Oktober 2010

Event der Schattenhirsche


Event, eventuell, eventuell extrem eventuell.
Funken-Event, Event-Funken. Feuerwerk aus Formen und Linien, Hawaiiblumen, Edelweißblüten. Du hast mehr davon und bist gestimmt. Du machst Bilder davon und brauchst nicht mehr in die Südsee zu fliegen. Vor allem unterhalten, und nicht überfordern. Plagiate-Event, Event-Plagiate. Du kannst nichts dagegen haben. Wir wissen doch, dass es mehr ist als Lifestyle-Fußnote. Zitieren und Selbstreflexive im regelrechten Exzess aufgehen lassen. Und dabei trotzdem äußerst epigonal innovativ sein. Die Mechanismen und die Symbolik kennen, und dann auch mal mit Lust und Witz zum Kern vorstoßen. Impuls-Event, Event-Impuls. Die Welt immer wieder anders sehen, nicht erstarren, in Konventionen und so weiter. Wir haben es mit circa 500 Arten von Weltwidersprüchen zu tun, und ein fesches Hütchen ist meiner Aufmerksamkeit nicht abhold. Funken sollen sprühen, ich will mich überraschen, eventuell auch dich überraschen. An den Türen kontrollieren scharfe Frauen und Männer, und dadurch quillt lecker die Widerspruchswelt. Aber schön eins nach dem anderen. Herr Bernhard sagt, der Eventtourist ist nachfolgender Schatten der involviert handelnden Stelzvögel und Trophäenjäger zweiter Ordnung.
Ich sage, wo ich empfinde, gibt es immer was zu sehn.

Sonntag, 26. September 2010

Ein Blick zurück auf die Jahre der Leere



Voids.
Nur eins hat die ästhetische Wahrnehmung des Westzonalen mehr geprägt als die Leere in den Fensterauslagen Ostberliner Läden zu Zeiten der DDR: Die Rückreise zu den vollen Konsumtempeln des Westens. Und nun der Tag der Deutschen Einheit, der eben weder ein Tag der Leere noch ein Tag der Fülle ist, sondern als Einheit bestenfalls ein Tag des Durchschnitts.
"Lasst leere Landschaften entstehen",
das wäre wohl sehr schön gewesen. Diese Schärfung der Sinne, dieses fantastische Gefühl, jedes Mal in einen offenen Raum zurückkehren zu können, schwerelos und unbelastet mit allen Möglichkeiten, sich etwas auszudenken oder nicht auszudenken. Stattdessen verdichtete Fertiglandschaften mit fülligen Windrädern überall, die zigtausend grell beleuchteten Konsumtempeln, alles neu gemacht, die gewünschte regenerative Verschwendungsernergie liefern. Kein amerikanischer Freund mehr, der Dinge der Hoffnung über die Grenze bringt. Keine Hoffnungskontrolle mehr, die die amerikanisierten Sehnsüchte hoffentlich überwacht. Kein antiamerikanisches System mehr, das Hoffnungen plant und plant und, wie es sich eben für ein richtiges Hoffnungssystem gehört, nie erreicht. Jetzt haben die Vielbedienten all das viele Zeugs, nur keine Hoffnung mehr. O.K., dann feiert mal schön.

Sonntag, 12. September 2010

Beinzange


Tagesbefehl an die Kunstarmee:
Nehmt die affirmative Kunst
in die Beinzange und zerquetscht sie!

Sonntag, 5. September 2010

Betonblumen


(Während die Hindukuschkämpfer in Badakhshan festsitzen, weil Sprengfallen auf der Rückmarschstrecke endeckt wurden, durchstreift der Kunstsoldat fragwürdiges Gelände an der Heimatfront.)


Das Ergebnis ist deprimierend, leider auch ernst zu nehmen: ein fragwürdiges Outfit vor einem schwach beleuchteten Parkplatz, dazu ein spärlicher Konfettiregen über einer Fläche voller Grau sowie ein unscharfes und damit künstlerisch sich ins Beliebige begebendes Bild von einer Dame in desaströs goldenen Strümpfen und silbernen Schuhen. Er hat es einfach nicht gefunden. Alles in dieser Stadt ist neuerlich so erbärmlich geworden. Der Glanz und seine sensiblen Gefährdungen sind verschwunden. Der abgestandene Rest vermeintlich gegenwartsnaher Obzessionen und Subversionen können für den ästhetisch anspruchsvollen Blick eines Kunstsoldaten kein Äquivalent mehr ergeben. Obwohl er die Natürlichkeit der Stadtbewohner noch immer schätzt, scheint jede Detailliebe und auch jedes Farb- und Materialbewusstsein aufgebraucht zu sein. Eine immer hagere Arte Povera im Eingang, am Ausgang und in der Mitte lässt alles aussehen wie zusammengeknüllte Plastiktaschen oder platt getretene Bierdosen oder verwischte Hundehaufen. Die auslaufende Boheme ist eher unterfinanziert, erlernt gerade Reproduktion aus zweiter Hand, behängt sich mit konsumistischer Serienproduktion und hält das unglücklicherweise auch noch für Understatement und Minimalismus, wo sie doch gar keine andere Eingabe mehr hat als auf prekäre Fertigware zu setzen. Das platte visuelle Elend als symbolischer Code eines anständigen und steuerehrlichen Lebens und dabei trotzdem "stylish, weil wir uns anstrengen und sehr kreativ sind". Anderes als Rationalisierungsinseln in einer gleichgeschalteten Scheußlichkeit zu entwerfen, fällt der absteigenden Stadtkultur nicht mehr ein. Aber soll er sich nun aus der egalitären Ödnis auf die Spielwiesen einiger exhibitionistischer Neureicher begeben, nur weil diese vielleicht noch in irgendwelchen abgeschirmten Vierteln irgendwelche perfekt imperfekten Individualitäten reflektieren? Soll er wirklich diese ganze Szenerie der schillernden Unmoral zu einer neuen Ästhetik geschmeidiger Ausschweifigkeit und etikettierter Überhöhung verdichten? Das wäre feiger Verrat an der Klasse und ziemlich peinlich außerdem.

Sonntag, 22. August 2010

Wie einer toten Avantgarde die Business-Kunst erklären?




Avantgarde, Avantgarde, Avantgarde. Die großen Zeiten des Aufbruchs sind schon lange vorbei, und es ist jetzt die Zeit des künstlerischen Durchbeißens. Der Markt beginnt schon wieder zu schwächeln, und zeigt, dass das Leben nicht mehr die Kunst ist, sondern die Kunst das Überleben. Keine Zeit mehr für Madame LeRoy und für Cabaret Voltaire. Letzte Nacht war Saturn-Eröffnung mit Superangeboten für neue digitale Bildbearbeitungsprogramme, und wir sind froh, wenn uns dort kein Blauer Reiter gesehen hat. Private-Wealth Management unterwegs mit Kunden auf der Art Basel, bitte, bitte, kommt doch auch mal zu uns. Wir machen Videos, Performances, zeichnen, singen, schreiben architekturtheoretische Texte und kollektionieren nebenbei auch noch selbst entworfene Anziehsachen. Was wollt ihr denn noch? Oder sollen wir euch schwören, unsere Hyper-Subjektivität, authentischen Selbstreflexionen, unser strukturell hinterfragendes Gelangweiltsein, unsere simultanen bis simulierten Zweifel nur noch in Ton zu modellieren? Herr Tatlin auf seinem Tatlinturm, Herr Schwitter auf seiner Schwittersäule, Herr Malewitsch im Quadrat, sie wenden sich ab, aber die Kunst zur Zeit ist eben nicht das pralle Leben, zur Zeit ist sie prall dagegen. Die Moden, die Preise, die Stimmungsbarometer, der Boom, der Hype, die Spitzenlose, die Abschläge, die Käufe, die Verkäufe und die Notverkäufe realisieren sich kalt, eiskalt. Ein Leben in der Kunst ist etwas für Frierende. -1919. Herr Hausmann will den numerischen Zeitgeist enthüllen und heftet einer Puppe einen schönen Geldbeutel an den Kopf. -1936. Mondäne Damen schlürfen Austern und Champagner, Frau Oppenheim serviert das Frühstück im Pelz. -1965. Männer mit dicken Zigarren proben den Nachkriegswohlstand und Herr Beuys erklärt einem toten Hasen die Kunst. Heilige Avantgarde, habt ihr etwa schon geahnt, was jetzt kommt?



(Folglich können wir die Antwort sparen. Die Avantgarde denkt und schweigt.)

Sonntag, 15. August 2010

Zurück zur Linie


Tagesbefehl an die Kunstarmee:
Zurück zur Linie!

Donnerstag, 5. August 2010

hunt 'em, find 'em, kill 'em


Der Kunstsoldat
hat heute Einsatzbefehl für ein ästhetisches Krisengebiet erhalten, in dem noch viel cyberattack und in-house-fighting erforderlich ist. Eigentlich hat er es gleich gewusst, dass CS2 die digitale Kriegsführung schlechthin ist. Füllebene, Einstellungsebene, Hintergrundebene, Vernichtungsebene, Blendflecken, Distorsion, Invasion, Störungsfilter, Verzerrungsfilter, Rasterung, Punktieren, Entleeren, Löschen, Beenden. Es versucht es immer wieder mit mir. Aber mit mir nicht! Dachte der Kunstsoldat. Mit mir nicht unbedingt! Mit mir vielleicht! Mit mir vielleicht doch! Mit mir allemal! Mit mir jeden Tag! Mit mir jeder Zeit! Bundstifte, Wolken, Kacheleffekte, Ozeanwellen, Kräuseln, Kratzer entfernen, verbiegen, weich zeichnen, noch weicher zeichnen, kuschelweich zeichnen.
-Bildschirmschoner - Flowerbox -
Das hätte er nie gedacht, dass seine Streitmacht so einknickt und letztlich nur noch anbiedernd ist. Seine ganze kunstsoldatische Verelendung im digitalen Wohlfühlsystem. Seine gut versteckte Angst, dass das Foto am Ende so wie so besser ist. Jetzt schwört er auf den Alleingang: Gelbe Reifen, Rote Felgen, grüne Pantherhaarpinsel, meterhohe Farbtonnen, und er, der Kunstsoldat, der wild um sich spritzende, werfende und ballernde Muskelprotz.
Achtung, Creative Suite 3, 4, 5, 6, Köpfe werden rollen!

Donnerstag, 15. Juli 2010

targeted sanctions



Er schaltet sein Nachtsichtgerät ab. Was waren das noch für Nächte, in denen Magic Marker und Sprühdosen in U-Bahn-Schächte, U-Bahn-Depots und unter Autobahnüberführungen schlichen, um die postmodernen Selbstentleerungen mit purer Barockmalerei zu überschwemmen. Purer Gangsterbarock, weit entfernt davon, schön zu sein, nicht einmal ausgesprochen hässlich oder obszön. Und nun diese Leute, die nie einen U-Bahn-Schacht durchliefen, nie an einer Autobahnbrücke hingen, nie in Polizeigewahrsam gesessen sind, aber sich mit ihren furchtbar wild und kaputt aufgemachten Undergroundattrappen dazwischen gemischt haben, um im Auftrag ihrer findigen Event-Agenten aus dem Unterschichtenbarock neonschön verhässlichte und obzönisierte Betriebskunst für das arrivierte zeitgenössische Kunstpublikum zu produzieren. Es ist einfach so, denkt der Kunstsoldat, seit dieser Planet Erde von der zeitgenössischen Kunst befallen wurde, sieht er immer schlechter aus. Sie sollen es begreifen, denkt er, aber sie sollen vorher nicht erfahren, was ich anstellen werde.

Montag, 21. Juni 2010

Sinn für schlechte Kunst


Der Kunstfeldwebel sprach heute vor versammelter Truppe über den Sinn schlechter Kunst. Die Rezeption schlechter Kunst gelingt nicht, sagte er, wie dies vielleicht für gute Kunst der Fall sein mag, in der leichten Einstellung eines Wohlgefallens. Die Rezeption schlechter Kunst verlangt ein interessiertes Aushalten und eine angestrengte Erkenntnis ihres Sinns. Der für ein solches Verstehen erforderliche Nachvollzug verlangt keine ästhetische Einstellung, sondern Teilnahme. Diese Teilnahme betrifft das Sicheinlassen auf das, was präsentiert ist und verstanden werden will. Im teilnehmenden Verstehen von schlechter Kunst und deren Wahrheit vollzieht sich damit eigenes Präsentsein in der alltäglichen Präsenz schlechter Wahrheiten. Bei diesem teilhabenden Erleben des Präsentierten handelt es sich also um die gute Erfahrung eines tieferen Selbstverstehens. Weil aber das individuelle Verständnis für uns Kunstsoldaten bedeutet, einer Selbsterkenntnis, eines Stückes Wahrheit teilhaftig zu werden, wird die schlechte Kunst für uns letztlich zur guten Kunst. Das ist vor allem für die heutige Kunstpräsentation sehr vorteilhaft, meinte der Kunstfeldwebel, denn gute Kunst ist selten und schlechte Kunst gnadenlos präsent.


Donnerstag, 13. Mai 2010

„Irritierend“ … „verstörend“


Guten Tag, Trophäenjäger dritter Ordnung.

Du solltest besser gar nicht erst hinsehen. Denn das einzig irritierende und verstörende an der Gegenwartskunst ist, dass ständig irgendetwas "irritierend" und "verstörend" sein soll. Das Betroffenheits- Tutut und seine nachfolgenden Echos. Wenn du durch bist, folgt das nächste Tutut. –

Text zur Ausstellung:

"Irrend sucht mein Blick umher, sah Bilder schon, verstörend sehr".

Nichts ist mehr normal, durchschnittlich, bekannt, gewöhnlich oder erträglich, und das, obwohl nichts zu sehen ist, das nicht schon anderswo zu sehen war. Ein Krankheitsbericht, eine Psychophatie voller Panik und Verstörungszeichen.

Montag, 26. April 2010

Einstürzende Kirche


Bereits um 1630 entdeckte François de Nomé ein systemisches Problemsystem am gewöhnlich makellosen Fels der heiligen Kirche Christi. Heute stehen meine hochmoralische Nachbarin und ich im Jahr sechs des Pontifikats von Benedikt XVI. Vor 140 Jahren, sagt meine Nachbarin, brach der Kirchenstaat zusammen. Du lieber Himmel, rufen wir beide, und jetzt knirscht es schon wieder!

Sonntag, 18. April 2010

Ästhetik des hemmungslosen Grinsens


Land des Grinsens

Der Befall unseres Planeten mit NRW-Wahlplakaten. Er sieht daher zur Zeit ziemlich schlecht aus. - Grinsen und "Soziale Gerechtigkeit schaffen". - Mona Lisa I: Neuronen feuern, wenn das Auge perfekte Symmetrie erblickt. Gegenprobe: Wahlplakate in NRW. - Zu große Gleichmäßigkeit unterfordert das Gehirn und erzeugt Langeweile. - Eine Ruhrmetropole voller Symmetrie-Aliens. - Es grinst der gierige Funken der Macht. Man sollte besser gar nicht erst hinsehen. - Grinsen gegen das ästhetisch empfindsame Auge. - Ihr wollt Wahlen? Hier habt Ihr die Ästhetik des hemmungslosen Grinsens! - Mona Lisa II: Land des Lächelns, kehre wieder! - Mon Dieu, now mornin‘s clear, zur Hölle mit den Grinsvisagen!

Sonntag, 4. April 2010

Meine romantische Vorstellung über Kunst als Gesellschaftskritik


Wie man Osterhasi die Kunst erklärt:
Joseph Beuys/ Ene-Liis Semper

Sonntag, 21. März 2010

ästhetik pädophil

Die Machtinstanz Europas ist pädophil / Oliviero Toscani

Samstag, 13. März 2010

Die Kunst, der Müll und der Tod

Der Künstlerin rinnt eine Träne die ­Wange hinunter, und sie schaut den Galeristen lange an. Der aber kann ihr nicht helfen, zumal er sich in gleicher Lage befindet. Die Endlosschleife zeitgenössischer Kunst hat jetzt endlich eine Bruchstelle erhalten. Die Bruchstelle steht in der South London Gallery. Über 500 Kunstwerke haben inzwischen den Weg in die Riesen-Mülltonne der ältesten öffentlichen Londoner Galerie gefunden. Der Entsorgungsanteil steigt stündlich und läßt inzwischen die Ateliers beispielsweise von Peter Blake, Mat Collishaw, Michael Craig Martin, Tracey Emin, Damien Hirst, Gary Hume, Julian Opie, Cornelia Parker, Gavin Turk, Keith Tyson und Rebecca Warren wohltuend klar erscheinen. Der (noch) freiwillige Charakter der Aktion ist allerdings zu betonen. Nichts geschieht gegen den Willen eines Künstlers. Lebendige Künstler geben Zustimmung, Tote lassen ihre noch lebendigen Repräsentanten sprechen. Alle angereichten Kunstwerke samt Künstler erhalten auf dem Weg in den Entsorgungstod individuelle therapeutische Betreuung und ein letztes würdiges Geleit. Der jeweils angereichte Abfall wird dann oben in den Container geworfen, schlägt unten hörbar auf, wird am Ende mit allen dort versammelten Trümmern weiter zerlegt und zwecks Herstellung sinnvollerer Produkte recycelt. Alle Besitzer oder Verfertiger von Kunst können sich auf der Website http://www.southlondongallery.org/ anmelden und ihre Werke nach Vereinbarung vorbeibringen. - Nationale Anmerkung: Zu diesem Vorgang auf der Insel mag die deutsche Festlandkunst einwenden, dass der ehrenvolle Durchlauf an einer deutschen Festakademie immer nur Kunst, keinesfalls Abfall, oder Abfall nur bewirke, wenn er zugleich hohe und höchst unentbehrliche Kunst ist. Ausdrücklich wird aber darauf hingewiesen, dass grundsätzlich auch deutsche akademische wie nichtakademische Kunstbetriebe ihre Erzeugnisse nach London bringen dürfen.

Sonntag, 28. Februar 2010

Tagesbefehl an die Kunstarmee: Aufsehen erregen!

Denn was hat die Kunst schon zu befehlen? Sie, die fortwährend nur in den Proportionen eines volatilen Befehlnotstands stattfindet. Sie wirft ja noch nicht einmal Steine in die Schaufenster der Kunstwarenhäuser, sondern immer nur ins Wasser, weil die Kreise, die sie bewirken, interessieren: "Wer kann die Kreise lösen, wer ihrem Zauber widerstehn?" (aus dem Katalog zur Ausstellung "Sit down and watch the river flow"). Dann aber auch, weil so ein Stein nicht nur Kreise zieht, sondern auch Wellen schlägt, wovon Enten wach werden und Fische anfangen zu schreien. Wichtig ist eben, genügend Aufsehen zu erregen. Denn das Schreien der Fische gilt den Anglern immer als sicheres Anzeichen dafür, dass sie es mit wichtiger Kunst zu tun haben. Wenn die investiven Angler angeln und angeln und angeln, werden irgendwann selbst die erwachten Enten das schwimmende, hängende oder bereits eingepackte Werk verstehen, aneignen und bewältigen. Auch eine Entengesellschaft kann dann mit einer gewissen Genugtuung oder sogar mit einem Gefühl des spekulativen Triumphs draufblicken, so wie der Angler auf den kapitalen Hecht auf seinem Teller, an der Wand oder in seinem Tresor.


Samstag, 30. Januar 2010

KUNSTUNIFORM


Seitdem die Kunst tot ist, ist es bekanntlich kinderleicht, Künstler als Soldaten zu verkleiden.

Montag, 25. Januar 2010

XXX



Was wollen wir heute machen?
Keine Ahnung.
Fangen wir doch mal mit Selbstverbrennung an.

Samstag, 16. Januar 2010

Everything you need to know about Art



"Ihre Arbeiten deuten an, ohne darzustellen oder zu zeigen, so dass ihre Arbeiten auf etwas latent Vorhandenes verweisen. Die Formen und Strukturen liegen in ihrer Leichtigkeit über einen nicht näher definierten Bildgrund und changieren zwischen flacher Abbildhaftigkeit und potentieller Dimensionalität. Die sich wiederholenden Strukturen geben den Blick auf unter ihnen liegende Leerstellen frei und geben zugleich Hinweise auf eine mögliche Ausfüllung, die aber dem Betrachter und seinen Assoziationen überlassen bleibt..."

Kunst ist Virus.
Das Virus braucht jemanden, von dessen Aktivität es lebt, den es konsumiert. Selbst ist es vollkommen unscheinbar, austauschbar – ein Nichts. Weil Kunst heute meistens nackt ist, streift man ihr einen Text über, damit wir etwas haben, an dem wir sie packen und festhalten können. Nicht, weil sie ohne Text schutzlos wäre, verloren und unbekleidet uns ausgeliefert. Wir schützen nur uns selbst. Wir schützen uns vor unserer eigenen viralen Hilflosigkeit.

Donnerstag, 7. Januar 2010

esthétique belle de jour


OHNE MODELS
Wer Luoise zum Star unserer neuen Show machen will, darf sich bis zum 15. Februar 2010 unter http://kunstarmee.blogspot.com/ dafür bewerben und wird vielleicht sogar namentlich erwähnt.

Luoise
48 Jahre
Größe: 1,59 Meter
Augenfarbe: Braungrau
Haarfarbe: Dunkelblond
Beruf: Maschinistin
Hobbys: Boxen
Das mag ich an mir: An meinem Wesen: Zuverlässig, treu An meinem Körper: Füße
Ich möchte mitmachen, weil... es mir Spaß machen würde, mich anders zu kleiden

Mittwoch, 6. Januar 2010

Synthetic Art Radar


Thierry Picouret, Void is just another day, 2009
(Galerie Leopold, Brüssel)
Man muss es (unbedingt) sehr, sehr lange betrachten. Denn nur allmählich wird die perspektivische Tiefe dieser Malerei sichtbar. Nur allmählich tritt die Flachheit in den Hintergrund. Es ist genau der Tiefe-mit-Fläche-Charakter, die Gegensatzvereinigung von kontradiktorischen Grundmomenten, der ungewisse Erinnerungen wachruft. © kunstarmee