Sonntag, 26. September 2010

Ein Blick zurück auf die Jahre der Leere



Voids.
Nur eins hat die ästhetische Wahrnehmung des Westzonalen mehr geprägt als die Leere in den Fensterauslagen Ostberliner Läden zu Zeiten der DDR: Die Rückreise zu den vollen Konsumtempeln des Westens. Und nun der Tag der Deutschen Einheit, der eben weder ein Tag der Leere noch ein Tag der Fülle ist, sondern als Einheit bestenfalls ein Tag des Durchschnitts.
"Lasst leere Landschaften entstehen",
das wäre wohl sehr schön gewesen. Diese Schärfung der Sinne, dieses fantastische Gefühl, jedes Mal in einen offenen Raum zurückkehren zu können, schwerelos und unbelastet mit allen Möglichkeiten, sich etwas auszudenken oder nicht auszudenken. Stattdessen verdichtete Fertiglandschaften mit fülligen Windrädern überall, die zigtausend grell beleuchteten Konsumtempeln, alles neu gemacht, die gewünschte regenerative Verschwendungsernergie liefern. Kein amerikanischer Freund mehr, der Dinge der Hoffnung über die Grenze bringt. Keine Hoffnungskontrolle mehr, die die amerikanisierten Sehnsüchte hoffentlich überwacht. Kein antiamerikanisches System mehr, das Hoffnungen plant und plant und, wie es sich eben für ein richtiges Hoffnungssystem gehört, nie erreicht. Jetzt haben die Vielbedienten all das viele Zeugs, nur keine Hoffnung mehr. O.K., dann feiert mal schön.

Sonntag, 12. September 2010

Beinzange


Tagesbefehl an die Kunstarmee:
Nehmt die affirmative Kunst
in die Beinzange und zerquetscht sie!

Sonntag, 5. September 2010

Betonblumen


(Während die Hindukuschkämpfer in Badakhshan festsitzen, weil Sprengfallen auf der Rückmarschstrecke endeckt wurden, durchstreift der Kunstsoldat fragwürdiges Gelände an der Heimatfront.)


Das Ergebnis ist deprimierend, leider auch ernst zu nehmen: ein fragwürdiges Outfit vor einem schwach beleuchteten Parkplatz, dazu ein spärlicher Konfettiregen über einer Fläche voller Grau sowie ein unscharfes und damit künstlerisch sich ins Beliebige begebendes Bild von einer Dame in desaströs goldenen Strümpfen und silbernen Schuhen. Er hat es einfach nicht gefunden. Alles in dieser Stadt ist neuerlich so erbärmlich geworden. Der Glanz und seine sensiblen Gefährdungen sind verschwunden. Der abgestandene Rest vermeintlich gegenwartsnaher Obzessionen und Subversionen können für den ästhetisch anspruchsvollen Blick eines Kunstsoldaten kein Äquivalent mehr ergeben. Obwohl er die Natürlichkeit der Stadtbewohner noch immer schätzt, scheint jede Detailliebe und auch jedes Farb- und Materialbewusstsein aufgebraucht zu sein. Eine immer hagere Arte Povera im Eingang, am Ausgang und in der Mitte lässt alles aussehen wie zusammengeknüllte Plastiktaschen oder platt getretene Bierdosen oder verwischte Hundehaufen. Die auslaufende Boheme ist eher unterfinanziert, erlernt gerade Reproduktion aus zweiter Hand, behängt sich mit konsumistischer Serienproduktion und hält das unglücklicherweise auch noch für Understatement und Minimalismus, wo sie doch gar keine andere Eingabe mehr hat als auf prekäre Fertigware zu setzen. Das platte visuelle Elend als symbolischer Code eines anständigen und steuerehrlichen Lebens und dabei trotzdem "stylish, weil wir uns anstrengen und sehr kreativ sind". Anderes als Rationalisierungsinseln in einer gleichgeschalteten Scheußlichkeit zu entwerfen, fällt der absteigenden Stadtkultur nicht mehr ein. Aber soll er sich nun aus der egalitären Ödnis auf die Spielwiesen einiger exhibitionistischer Neureicher begeben, nur weil diese vielleicht noch in irgendwelchen abgeschirmten Vierteln irgendwelche perfekt imperfekten Individualitäten reflektieren? Soll er wirklich diese ganze Szenerie der schillernden Unmoral zu einer neuen Ästhetik geschmeidiger Ausschweifigkeit und etikettierter Überhöhung verdichten? Das wäre feiger Verrat an der Klasse und ziemlich peinlich außerdem.