Sonntag, 19. Juni 2011

Dreck


Manche mögen Grau. Ich habe mir gesagt, ich bin Kunstsoldat, muss mit Form arbeiten, muss Aggressivität reinbringen und auch wieder wegnehmen, damit überhaupt jemand hinguckt. Meine Grundausbildung. Aber was mich verrückt macht, ist, dass ich keine neue Form erfinden kann. 

Es gibt keine weißere Form als Weiß, keine rötere Form als das röteste Rot. Beim rötesten Rot kann ich stehen bleiben, oder Weitergehen bis ans Ende der Farbskala, von Form zu Form, dann wieder zurück, um am Ende die Form, mit der ich begonnen habe, als die andere Seite einer anderen Form wiederzufinden. Form spielt mit Form, und ich muss mich überreden lassen, immer mit demselben Quatsch zu spielen. Berlin is here to mix everything with everything. Kunst als das längstmögliche Hin und Her des Eigenbehaviors, von deprimierender Sinnlosigkeit. 
Was ist es nur gewesen, das mir diese Lumpigkeit endloser Wiederholungen als originalen Hoffnungsträger eingeredet hat? Es meinte wohl die Geste des ästhetischen Denkens, respektive das Denken zu ästhetisieren, wie tagelang ekstatisch über einen vollgekotzten Dancefloor zu springen, respektive für die kommenden Klugscheisser zu produzieren, um den Glitter-Schmutz dieser Ära komplett zu machen. Kunstgattungstypische Formvollendung, so wie die Summe aller Buntfarben Dreck ist. 
Meine freiwillige Selbstentleerung aus der Fülle meiner gewaltigen Fähigkeiten, alles Dreck.

Freitag, 3. Juni 2011

SchülerSex und Technoplastizität






"Wenn ich meinen Sohn dabei überraschte, 
wie er sich vor dieser Statue selbst befleckt, 
würde ich es gewiss nicht unterlassen, 
sie zu zertrümmern". Diderot
Dem Vater erscheint es so, als ob die sexuellen Handlungen seines Sohns sich jeder Regelkontrolle entziehe, um im Verbotenen ein unverantwortliches Spiel zu treiben. Aber sein Sohn macht gegenüber diesem Vorwurf eigene Gründe geltend. Zum Beispiel den Begriff des Schönen in der italienischen Renaissance oder die Idee der sexualmaterialistischen Gesellschaft in Blood and Guts in High School. Für seine Gründe verlangt er Vorrang. Dieser Vorrang wird im Souveränitätsstil behauptet: weil es mir gefällt und es so easy ist, more modoque consueto rumzuficken. Im Falle der Statue garantiert sie durch ihr formvollendetes materielles Substrat den Vollgenuss der Sinnlichkeit. Sie genügt nicht der virtuellen Tugend, sondern dem realen Geschmack (präzise beschrieben in Lettres de la Marquise de M. au Comte de R.). Und sie übergeht, dass "Natur" ein mentaler Sperrbegriff sein kann. 
Was die Zertrümmerung der Statue anbetrifft, so übersieht die väterliche Sorge, dass der Sieg des Christentums die Sexualkultur der alten Welt zerstört und das Sexualleben auf die Ebene substitutiver Gegenständlichkeit heruntergebracht hat. Im Laufe dieser Entwicklung ist die Sexualität von Verschleierung und zurückhaltender Symbolisierung in die Phase des massiven Auflauerns und der aggressiven Rund-um-Belästigung eingetreten. So beginnt es heute, Jahr 7 des Pontifikats Benedikt XVI, meistens mit missbrauchter Kindheit, fickend herumstreunenden Schulabbrecherinnen, und schleicht sich weiter durch koksnebelverhangene Hüpfburgen, technosoundigen Pornobespielungen, andauernd verdinglichter Rundumsexualitäten bis zu den Höhepunkten fluidaler Sexplastikformen. Kein Steigerungsprozess kann ohne materialistische Grundlage mehr in Gang kommen, weiter nichts, zumal bey unserm Geschlechte, als eine ganz besondere Leitung des Geschlechtstriebs auf einen einzigen Gegenstand (Jakob Mauvillon, 1791). 

Vom Standpunkt der Statue kann man also davon ausgehen, dass das, was an ihr noch als Kunst wahrgenommen wird, nicht nur als Eigenfunktion der Kunst, sondern auch als Unterstützung anderer Funktionen benutzt wird. Aber auch der Schüler muss davon ausgehen können, dass nicht alles, was er sieht und als schön empfindet, das Werk einer rein theoretischen Kunstidiotie ist. Man verschone den Schüler vor allem vor den kreativen Objektivation einer sexuellen Fehlhaltung wie der Konzeptkunst, wie zum Beispiel vor sechzehn rahmenlosen Bildträgern, weiß, die in einer unregelmäßigen Linie an die Wand gelehnt sind.