Samstag, 28. Mai 2011

Ende der Landschaftsmalerei II





Theorie zum finalen Werkentwurf


für die, die sich über die letzten Fortschritte des Desasters empören und mit Geduld seine Enzyklopädie zusammenstellen:
"Es geht nicht um die Lösung eines Problems mit der Folge, es als Problem zu vernichten. Es geht um die Provokation einer Sinnsuche, die durch die Kunst nicht unbedingt Ergebnisse, aber doch den Eindruck erhält, dass da draußen noch eine letzte Möglichkeit existieren könnte, ohne nach oben zu schauen über eine Wiese zu laufen. Noch ein letztes Mal mit denen laufen, die mit uns durch die Zeiten gingen, und daran denken, dass die Welt Natur ist, auf lange Sicht und sobald der Mensch wieder verschwunden, unweigerlich frei und wild. Natürlich könnten sich die Straßen in Rad- und Wanderwege verwandeln, wir könnten sogar alle Breitengrade mit garantierten Schutzgebieten für edle Wilde überziehen, zum VorzugsPreis einer vollkommen therapiefreien Weltexistenz. Aber wer behauptet, dass die erneute erneuerbare Emanzipation von der Natur uns das Erleiden einer para-naturalen Gerechtigkeits- und Selbstgerechtigkeitsdiktatur ersparen wird, lügt. Das Eine wird das Andere in die Wege leiten. Wir werden beides kriegen."
Gut für jetzt, Bellini, Turner, Friedrich und Freunde der digital nachgearbeiteten Naturkulissen. Genug der heulenden Rückblicke auf ungebrochene Wiesen, Wälder und Uferstrände, auf barocke Schimmereien im überhöhten Glanz von Abend- respektive Morgensonne, auf einsam zweisame Staffagefiguren in der grenzwertigen Gegend um Tivoli. Behaltet einfach in Erinnerung die Zeit, in der ihr bei gutem Wetter noch etwas anderes gemacht habe als Jalousien runter.

Sonntag, 22. Mai 2011

Ende der Landschaftsmalerei I



Neulich sah ich Bellini und Konsorten um ein Windrad rennen. Mit Zitaten aus der zauberhaften Metropolenwelt, plus abgeschmackte Billigmärkte für Mehrfachsteckdosen, Durchmischungen fader ConsumerSounds, pädophile Monitorflächen, Lichterketten, überfreundliche SecuritieSysteme, plus Begriffe und Simulationen für das verletzte Ursprüngliche und Unberührte, für das gemeinsame Schrumpfen jeden Tag
"Nichts ist so unwürdig, als Gewalt zu erleiden. Wer sie feigerweise erleidet, wirft sich weg."
"Wir sind umgeben von Kräften, die den Meister über uns spielen, uns den Resonanzboden unserer Liebe entziehen. Nichts hat mehr Au- torität, unseren Einspruch zum Schweigen zu bringen. Dieses Hässliche, Berührte, Begrabbelte, Prostituierte, das wir müssen, aber nicht wollen, überliefert unsere phantastische Idee der Beute. Unsere gerühmte Freiheit ist nichts, absolut nichts. Entweder der Natur als Macht überlegen, oder eins mit ihr. Entweder unsinnig oder sinnlich. Man nennt uns Romantiker, verdammte Scheisse. Als wäre es nur eine Intension auf nicht mehr zu realisierende Synthese, auf Einheit von Subjekt und Welt, bei Stendhal nachzulesen. Wir kennen aber noch die Eleganz, die das Leben und die Welt formten, jede einzelne Linie darin. Nur so hat es Reiz für uns. Nur durch Natur und Schönheit allein können wir erfahren, dass wir bestimmt und fähig sind, uns als Einzigartigkeiten zu beweisen, statt sturzbesoffen auf Autodächern herumzuliegen."

Es folgt Teil II: Theorie zum finalen Werkentwurf (für die, die sich über die letzten Fortschritte des Desasters empören und mit Geduld seine Enzyklopädie zusammenstellen)

ye-man zi-yu 

Montag, 16. Mai 2011

Tagesbefehl an die GummibärArmeen




Schlagt-   den-   Feind-   wo-   ihr-   ihn-   trefft-

Wenige Nahrungsmittel haben diesen Feindcharakter. Ihnen ist jeder Angriff recht, Hauptsache gnadenlos. Wenn man doch zum Zucker noch Zucker nehmen könnte. Ein Gehirnforscher frisst sich zum Experten für Pfefferminzschokolade durch und entdeckt die beste Sorte in San Francisco. Das erste, an das ich mich erinnern kann, hatte die Form einer Himbeere und klebte an anderen Himbeeren. Es war meine erste Gelegenheit, die Form als reine Selbstreferenz zu behandeln, was vor allem auch dadurch ermöglicht wurde, dass diese Form für mich bald keine Grenze mehr darstellte. Ich konnte gar nicht soviel Form besorgen, wie Form wieder verschwand. Nebenbei schmeckte sie sogar etwas nach Himbeere.

Der Idee nach kann man auch ohne Form auskommen. 

Aber bereits die bloße Anschauung setzt Form voraus. Dies im doppelten Sinne: als Bedingung der Mitwirkung verschiedener psychischer Systeme und als Garantie der Anschlussfähigkeit rein physischer Systemhandlungen. Nehme Schaumzucker abwechselnd in Rosa und  Weiß, eine Marshmallowmaus und eine Geleebanane obendrauf, und schließe das Ganze mit himmelblauen Eukalyptusfischen und knallrotem Spaghetti ab. So kann das Wohlfühlsystem schon auf weitere Erwartungen vorgreifen und in diesem Sinne etwas als wiederholbar identifizieren. Präsenz der Rekursivität in jedem Moment, der eine weitere Operation generiert. Im Laden einer Junghamburgerin, damals war sie es noch, gibt es ganze Operationsmenüs aus Zuckermasse. Mit der gebotenen Genauigkeit musst du es begreifen. Pommes mit kullernden grünen Erbsen, geschlängelten Bohnen, schlappigen Spiegelei und Ketchup. Formen, so fantastisch gebildet, dass man das Cellophan gar nicht abnehmen mag.

Form ist, was gefällt. 
Feind auch. 
Beide setzen die Welt als unbegrenzt voraus.

Sonntag, 8. Mai 2011

Claiming a second kiss by desert



1. Aktuell befinden wir uns im Ego-Kolosseum, Daumen hoch, runter... Hurtig, Puerilisten, man soll die Spiellöwenparty erneuern, wir wollen nicht, dass die neue Zielgruppe musealer Vermittlungsarbeit Langweile hätte. Leben wir nicht in einer Welt, in der kopflose Consumer sich geköpfte Künstler wünschen?
2. Wir sind alle Kannibalen (Levi-Strauss). Die einfachste Art, sich mit einem Kunstwerk zu identifizieren, ist, es auf zu essen. Siehe auch Makato Aidas als Sushis angereichte Mädchenklone. Claiming a second kiss by desert *) oder Esser mögen es, intensiv gehalten zu werden. Schmatzen wäre nur ein schwaches Echo: Die Sache muss im Werk selbst erzeugt werden, egal ob als Selbstzerstückelung oder Fremdzerstückelung. Der Reiz besteht darin, dass der äußere Rahmen (Lady Gagas Kopfsteak, Bad-Banking, Migranten-Bashing, Tyrannen-Frühstück, Märtyrer-Merchandising, Fastfood, abgehackte Finger und Riesenbabys in der Facebook-Chefetage etc.) in das Gesamtkunstwerk wiedereintritt, ohne damit in seiner Funktion gegenüber dem puerilen Publikum beeinträchtigt zu werden.   
3. The Poem says what the poem says. Werter Brooks, so kommen wir nicht weiter. Das ist nicht mehr contemporary, das ist repräsentative Erstarrung. Mag sein, dass dreißig weitere Jahre postkannibalischer Innovationen jede Lust an Überschreitung und Befreiung nehmen. Aber jede wie auch immer zu ernährende Zukunftsgesellschaft hat tausend kleine Nischenfelder,  tausend kleine Untergrounds, von denen man sein Zeugs besorgt. 
4. Das Erhalten reproduktiver Nahrungsketten in einem Zustand permanenten Halbwertverfalls ist das bestgehütete Kunstgeheimnis aller Zeiten.
*) Charis, guess, and do not miss/ Since I drew a morning kiss/ Ben Jonson