Sonntag, 22. August 2010

Wie einer toten Avantgarde die Business-Kunst erklären?




Avantgarde, Avantgarde, Avantgarde. Die großen Zeiten des Aufbruchs sind schon lange vorbei, und es ist jetzt die Zeit des künstlerischen Durchbeißens. Der Markt beginnt schon wieder zu schwächeln, und zeigt, dass das Leben nicht mehr die Kunst ist, sondern die Kunst das Überleben. Keine Zeit mehr für Madame LeRoy und für Cabaret Voltaire. Letzte Nacht war Saturn-Eröffnung mit Superangeboten für neue digitale Bildbearbeitungsprogramme, und wir sind froh, wenn uns dort kein Blauer Reiter gesehen hat. Private-Wealth Management unterwegs mit Kunden auf der Art Basel, bitte, bitte, kommt doch auch mal zu uns. Wir machen Videos, Performances, zeichnen, singen, schreiben architekturtheoretische Texte und kollektionieren nebenbei auch noch selbst entworfene Anziehsachen. Was wollt ihr denn noch? Oder sollen wir euch schwören, unsere Hyper-Subjektivität, authentischen Selbstreflexionen, unser strukturell hinterfragendes Gelangweiltsein, unsere simultanen bis simulierten Zweifel nur noch in Ton zu modellieren? Herr Tatlin auf seinem Tatlinturm, Herr Schwitter auf seiner Schwittersäule, Herr Malewitsch im Quadrat, sie wenden sich ab, aber die Kunst zur Zeit ist eben nicht das pralle Leben, zur Zeit ist sie prall dagegen. Die Moden, die Preise, die Stimmungsbarometer, der Boom, der Hype, die Spitzenlose, die Abschläge, die Käufe, die Verkäufe und die Notverkäufe realisieren sich kalt, eiskalt. Ein Leben in der Kunst ist etwas für Frierende. -1919. Herr Hausmann will den numerischen Zeitgeist enthüllen und heftet einer Puppe einen schönen Geldbeutel an den Kopf. -1936. Mondäne Damen schlürfen Austern und Champagner, Frau Oppenheim serviert das Frühstück im Pelz. -1965. Männer mit dicken Zigarren proben den Nachkriegswohlstand und Herr Beuys erklärt einem toten Hasen die Kunst. Heilige Avantgarde, habt ihr etwa schon geahnt, was jetzt kommt?



(Folglich können wir die Antwort sparen. Die Avantgarde denkt und schweigt.)